Was interessiert mich meine Unterschrift von gestern?

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ – so können wohl nur Machthaber ihre einstigen Versprechungen und Zusagen verächtlich vom Tisch wischen. Wenigstens gilt in diesen Sphären noch eine Unterschrift als verbindlich.

Praktisch der einzige Bereich in unserer Gesellschaft, in dem selbst eine Unterschrift von gestern heute niemanden mehr interessiert, ist, Sie ahnen es wohl: Dieses Familienrecht!

Dieter Arnold* will es genau nehmen. Die Scheidung von Rosalia* ist beschlossene Sache, doch wir freuen uns, dass offenbar beide Eltern sich einig sind: Die Kinder sollen bei beiden Eltern zu gleichen Teilen aufwachsen.

Dieter ist erleichtert darüber, mit Rosalia so weit gekommen zu sein. Nur zu gut kennt er die traurigen Beispiele aus seinem Umfeld, jene der Kinder, welche ihren Vater kaum mehr zu Gesicht bekommen, jene der Väter und deren Verwandten, welche das Wichtigste im Leben, den familiären Kontakt zu den Kindern, fast oder ganz verlieren. Doch wird die sich abzeichnende Einigung Bestand haben? Kann er danach langfristig die gemeinsame Existenz, seine und diejenige mit hohem Betreuungsanteil für die Kinder, verlässlich planen?

Er braucht eine entsprechend große Wohnung, und die soll er sich von seinem Teilzeitberuf leisten können. Solange die Doppelresidenz funktioniert, geht diese Planung finanziell auf, denn die Geldunterhaltsbelastung fiele im Gegenzug in seinem Fall völlig weg. Sobald jedoch eine Verstimmung zwischen Rosalia und ihm aufträte, oder sobald Rosalia einfach andere Interessen hätte, wenn sie etwa in grössere Entfernung umzöge und die Kinder mitnehmen wolle: Dann zeigte sich, wie schnell nur auf Wunsch der Mutter aus dem hälftig betreuenden Vater ein seltener Besuchsvater wird, der im gezwungenermaßen neu bezogenen Einzimmer-Apartment nicht einmal mehr Platz für ein Kinderwochenende hätte.

Rosalias Anwalt drängt schon, will, dass Dieter endlich die Vereinbarung unterschreibt, dort hinein hat er, Rosalias Anwalt, ohnehin schon die Doppelresidenz in Juristendeutsch hineinformuliert, warum zögert Dieter denn noch…?

Welche Formulierung in der Scheidungsvereinbarung also hätte Bestand, würde den Kindern und ihm Sicherheit über die Zukunft geben?

Keine! – so können wir Dieter kurz und knapp eine klare Auskunft geben. Wir nehmen an, Rosalias Anwalt weiß darüber ebenso genau Bescheid und hat keine Absicht, Dieter über den Tisch zu ziehen. Es ist einfach nicht notwendig. Dieter hätte ohnehin mit keiner Formulierung, mit keiner Unterschrift Rosalias, nicht einmal vor dem Notar und drei beeideten Zeugen, ein Recht darauf, später zu verlangen, dass sich Rosalia an diese Vereinbarung hält.

Die Zusage der Doppelresidenz in einer Scheidungsvereinbarung ist gut, im Sinne von „ganz nett“, und sie trifft in dieser Sekunde wichtige Regeln, die genau für diese Sekunde erst einmal gelten. Doch entscheidend ist, dass diese Doppelresidenz auch tatsächlich funktioniert.

Ob diese Doppelresidenz tatsächlich funktioniert, hängt davon ab, ob Rosalia sie in den nächsten Jahren auch tatsächlich zulässt. Egal, was sie unterschreibt, schon am Tag darauf könnte sie ihre Unterschrift nicht mehr interessieren und sie die Doppelresidenz einfach verweigern, selbstverständlich Dieter ab diesem Tag, dem der Verweigerung, zum blanken Zahlvater, und ihn somit wie beschrieben genau deshalb vom gleichteilig betreuenden Elternteil zu seltenen Besucher der Kinder werden zu lassen.

Die Politik hat die Doppelresidenz bis jetzt noch nicht einmal geschaffen. Gesetzlich existiert sie gar nicht. Interessensvertretungen wie die „feministischen Alleinerziehenden“ haben dagegen massiv lobbyiert, nicht aus Sorge um die Kinder, sondern darum, dass kein Geld mehr vom Vater zur Mutter fließen könnte.

Die Justiz lässt es zumeist zu, wenn eine Mutter die Kinder von einem Tag auf den anderen von der hälftigen Betreuung herausreißt, selbst dann, wenn eine Mutter die Kinder von der väterlichen Betreuung weg in Fremd- oder Ganztagesbetreuung steckt.

Eine Sorge können wir Dieter daher nehmen: Jene um die falsche Formulierung eines Rechts der Kinder und des Vaters auf diese Doppelresidenz. Sie alle haben dieses Recht sowieso nicht.

Eine weitere Sorge quält uns in seinem Fall ebenso weniger: Dass Rosalia sich so verhält wie die eingangs beschriebenen Machthaber, oder so wie viele durch das Familienrecht zu allem ermächtigen Mütter. Aus der Erfahrung heraus schätzen wir bei ihr den echten Willen zur gleichteiligen Betreuung ein, und hoffen daher mit allen Beteiligten, dass diese Doppelresidenz funktionieren möge.


Männerservice-Report #301, veröffentlicht am 5. April 2022

Betroffene
Dieter Arnold*
Belinda*, 6 Jahre, und Timo*, 4 Jahre

In der Verantwortung
österreichisches Familienrecht, löchrig geschaffen und jahrzehntelang ausgehöhlt von Politik und Justiz

Ort und Zeitraum:
Wien, Dezember 2021

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