Versuche es erst gar nicht!

Was verstehen Sie unter einem Scheinrecht? Wenn Menschen wie zum Hohn ein Recht eingeräumt wird, das sie in der Praxis nie bekommen werden. Oft wird diese Realität noch lautstark verschwiegen, von der Politik, welche genau um diese Umstände Bescheid weiß, und von einer Justiz, die mit Stehsätzen abblockt, dass hier alles seine Ordnung habe.

Beginnen wir mit dem Recht: Unterhaltspflichtige können, sobald sie Einkommenseinbußen erleiden, eine Herabsetzung des Unterhalts beantragen. Das ist geltendes Recht in Österreich wie in anderen Ländern der Welt.

Nun gelangen wir zum Schein dieses Rechts, am Beispiel von Toni Artner*. Leider ist dieser Vater arbeitslos geworden, wenigstens nur für eine Übergangszeit. Toni ist dereinst von diesem Unterhaltsrecht verpflichtet worden, monatlich einen Unterhalt knapp an der sogenannten «Luxusgrenze» an Saskia*, die Mutter seines Sohnes Kaspar*, zu bezahlen. Das bedeutet in der Praxis zumeist nicht Luxus für Sohn Kaspar, sondern Luxus für die Mutter, Saskia.

Toni weiß von seinem Recht, das ihm scheint: Er könne in der Zeit der Arbeitslosigkeit den Unterhalt herabsetzen, Saskias Luxus pausieren lassen, bis er seine neue Arbeitsstelle antritt. Mit dem Männerservice ist er schon lange in Kontakt. Bei uns will er sich vergewissern, ob und wie er zu seinem Recht gelangen kann. Gut, dass er fragt. Wir zeigen nämlich den Schein dabei auf:

Erst einmal ist es richtig, dass er die Herabsetzung beantragen kann. Doch in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit wird in der Praxis niemals diese Herabsetzung beschlossen werden.  Das Verfahren dauert zu lange. Was kann er dagegen tun?

Er kann wieder einen Antrag stellen, nämlich einen namens «Fristsetzungsantrag». Dieser wird jedoch mit Sicherheit abgelehnt werden, also: Er kann schon etwas gegen die lange Verfahrensdauer unternehmen. Es nützt nur nichts.

Was würde nun mit Tonis Antrag geschehen? Irgendwann nachträglich, wenn Toni wieder mehr verdient, könnte das Gericht einen Unterhaltsbetrag für die Vergangenheit ausrechnen, aus seinem AMS-Geld heraus, der niederer gewesen wäre. Doch das nützt ihm nichts, denn der OGH hat vor langer Zeit schon einmal geurteilt: Jede Mutter habe jedes Geld, das sie einmal zu viel erhalten hat, «in Gutem Glauben verbraucht». Er darf es nicht zurückfordern.

Dafür darf Anton in Zukunft weiter knapp an der Luxusgrenze Geld an Saskia überweisen – oder sein Antrag geht nach hinten los.

Aus Erfahrung wissen wir: Saskias Jugendwohlfahrts-Soldatin, welche um jeden Cent mehr für diese Mutter kämpft, als ginge es um Leib und Leben, würde im Zuge dieses Verfahrens sofort fordern, dass Toni seinen neuen Arbeitsvertrag vorlegt. Dann würde sie aus gewollter Unkenntnis heraus auf Basis der Vertragssummen, ohne Rücksicht auf mögliche Abzüge oder Verluste aus Abgaben, lieber zu hohe als zu niedere Forderungen stellen.

Zum Schluss könnte Anton eines Tages dastehen, mit Beschlüssen, die eine Mehrbelastung ergeben, obwohl er ursprünglich eine Entlastung für die Zeit der Arbeitslosigkeit wollte.

Diese Entlastung aus der Arbeitslosigkeit wiederum könnte er vielleicht, wie zum Hohn, rückwirkend zuerkannt bekommen, doch vermutlich würde er zu viel bezahlte Beträge nie mehr zurückbekommen, sie wissen ja: Schon im Guten Glauben verbraucht…

Wenn er jedoch in der Zeit der Arbeitslosigkeit einfach sofort weniger bezahlte, weil er ja nichts dafür kann, wenn ein Gericht so viel Zeit benötigt, ja dann könnte ihn Saskia sofort pfänden und exekutieren lassen. Schliesslich würde Anton ja «widerrechtlich» zu wenig bezahlen, dieser niedere Betrag wurde noch nicht gerichtlich beschlossen, und wenn er noch so sachlich korrekt wäre.

Und zu schlechter Letzt könnte Anton aufgrund der beharrlichen Gier, die eine Jugendwohlfahrt in Österreich für Eltern wie Saskia eifrig bei auf den letzten Cent gestillt sehen will, in Zukunft stärker belastet sein als vor seinem eigenen Antrag.

Das Unterhaltsrecht ist gnaden- und rücksichtslos, jedoch manchmal unberechenbar. Eine kleine Möglichkeit sehen wir schon, doch ebenso ein Risiko. Anton ist informiert, und vor Allem: Gewarnt.


Männerservice-Report #280, veröffentlicht am 9. November 2021

Betroffene
Vater: Toni Artner*
Sohn: Kaspar*, 10 Jahre

In der Verantwortung
österreichisches Unterhaltsrecht und österreichische Justiz
Jugendwohlfahrten in Österreich («Jugendämter»), hier: Vorarlberg
Saskia Artner*, Kaspars Mutter

Ort und Zeitraum:
Vorarlberg, September 2021

Schreiben Sie einen Kommentar

Your email is never published nor shared. Pflichtferder sind mit * markiert

HTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>