Verdrängung

Die Männerservice-Reports beziehen sich stets auf Personen, deren Daten und Geschichten uns zur Verfügung stehen. Wir lassen jeden Report vom Betroffenen prüfen und genehmigen.

Diesen hier jedoch nicht. Kein Betroffener würde diesen Report freigeben. Doch was folgt, das ist notwendig, gesagt und geschrieben zu werden. Daher schreibe ich diesen Report aus meiner persönlichen Sicht, konkrete Personen sind nicht zu erkennen.

Immer wieder erklären mir Väter, meist tüchtig schulterklopfend: Es ist ja gut und recht, dass wir Vätern helfen, um den Kontakt zu ihren Kindern zu kämpfen, „wirklich, echt toll von Euch“. Doch es gibt noch einen anderen Ausweg, der sich ihnen selbst eines Tages eröffnet hat, nach den Jahren des verzweifelten und sinnlosen Kampfes um Kontakt zum Kind.

Sie, ja sie, sind darüber hinweg gekommen, dass sie die Beziehung zu ihrem Kind verloren haben. Und jedes Mal kann ich mir anhören, wie mir dieses Erweckungserlebnis dann gutmeinend vermittelt wird. Der Weise erzählt, so scheint es mir anfangs:

Das einfachste der Erweckungserlebnisse ist jenes, wenn ein entfremdeter Vater erklärt, es geschafft zu haben, “über diesen Dingen zu stehen” – darüber, die wichtigste Beziehung eines Menschen, zum eigenen Kind, zerstört zu sehen, über den bitteren Schmerz und die quälenden Gedanken. Oder, auch gut, folgende Variante der Weisheit: „Die Mutter wird schon sehen, was sie davon hat“ – so warten auch noch so alte Väter beharrlich und an das Schicksal verzweifelt glaubend, dass ein gegen sie aufgehetztes Kind jetzt aber wirklich bald, es ist ja noch junge 40 oder 50 Jahre alt,  vor der Tür steht und unter Tränen dem Vater um die Arme fällt, statt weiter gehässig den Briefträger der Verunglimpfungen der Mutter zu spielen. Doch es läutet nicht und nicht an der Tür…

Ab und zu erklärt ein Vater mir geradezu verklärt, wie er seelisch damit ganz beispielhaft klar gekommen ist, dass sein Kind für ein ganzen Leben gegen ihn aufgehetzt sein wird – schau, da schreibt mir schon wieder einer, gutmeinend, wie er es geschafft hat, sich aus dem Tief hochzurappeln,  Stück für Stück aus Depression und Elend freizuarbeiten. Jetzt würde ich gerne mehr wissen, sein Mail klingt wirklich vielversprechend. Gibt es einen Weg für die Betroffenen, den ich vermitteln könnte und noch nicht kenne? Ich bitte ihn darum, mir mehr darüber zu schildern, was geschehen ist und wie er die Geschehnisse bewältigt hat.

Ich warte auf die Antwort und bin, aufrichtig, hoffnungsvoll gespannt.

Doch als sie ich endlich zu lesen bekomme, ist plötzlich nichts mehr da von der abgeklärten, positiven „ich bin damit durch, ich habe es geschafft und hinter mir“- Stimmung.

Dieser Vater gesteht mir: Als er mir die Vergangenheit schildern wollte, die Zeit, als seine Kinder an seinem Gedanken- und Gefühlshorizont allmählich und unwiederbringlich für immer verschwunden sind, wurde ihm klar:

Alles bricht wieder auf. Er erträgt es nicht, sich zu erinnern. Seine Schilderung kann er nicht einmal aufschreiben, kein Wort. Der Schmerz hat ihn wieder überwältigt, er ist dieselbe, brutale Gewalt wie früher.

Hat er es geschafft, bewältigt? Oder war alles doch nur verdrängt?

Mit schlechtem Gewissen, verursacht zu haben, wie alte Wunden wieder aufreißen und bluten wie früher, lasse ich ihn in Ruhe.

Wer “darüber hinweg” sein will, wehrt sich zumeist doch mit aller Kraft, wieder darüber nachzudenken: Dass auf dieser Welt ein Mensch herumläuft, das eigene Kind, das er gerne lieben würde, aber nicht darf. Das er in die Arme nehmen will, egal wie groß oder sogar alt es sein mag, väterlich fragen will, wie es ihm geht, was es so gemacht hat über all die Jahre, erzählen lassen will und dabei zerfließen vor Hingebung – aber dieses Kind sich ihm doch in Wahrheit, nie, niemals öffnen wird, sondern die Schallplatte der üblen Vorwürfe, die ihm die Mutter immer aufgelegt hat, stets griffbereit hätte und sogar aufs Neue auflegen würde.

Zuletzt sprach ich mit einem seit Jahren gut Bekannten. Ich kenne seine Tochter, die nach der Trennung den Weg zu ihm gefunden hat. Wie sehr hat es mich gefreut, die beiden in glücklichem Nebeneinander zu sehen. Doch da wird dieser Vater plötzlich ernst, und mit gesenkter Stimme erzählt er mir langsam und niederschmetternd: Zufällig, als er seine Tochter am Bahnhof traf, sah er bei ihr einen Mann, der sie gerade abholen wollte. Dieser Mann war sein Sohn. Er hätte ihn nicht einmal erkannt, so lange ist es her, dass dessen Mutter ihn entfremdet hatte. Dieser Sohn hat den Weg zum Vater nicht gefunden, bis heute nicht.
Ich spüre einen Stich im Herz, nur beim Gedanken. Mein Bekannter wird wohl einen ungespitzten Pfahl an derselben Stelle spüren.

Über all die Jahre hat mir dieser Vater kein einziges Mal von seinem Sohn erzählt, so, als ob er keinen Sohn hätte.  Er hat es wohl nicht ertragen, darüber zu sprechen. Ich habe nicht nach dem Grund gefragt, nur schweigend und sprachlos zugehört.

Sehen Sie sich um, liebe Leser. Viele Männer in diesem Land tragen gewaltigen, unbewältigten Schmerz in sich. Sie werden es vielfach nie erfahren, wenn diesen Männern ein Kind entfremdet wurde. Diese Väter bringen es gar nicht mehr fertig, darüber zu sprechen. Wozu auch? Es rührt den Schmerz nur wieder auf, der sich doch gerade endlich sich wenigstens am Boden abgesetzt hat, der dort unten bleibt, wenn nur keiner rüttelt, wenn sich alle ganz ruhig verhalten.

Bitte unterschätzen Sie daher nicht die gewaltigen Dimensionen von Elternentfremdung in diesem Land. Lassen Sie uns gemeinsam dagegen aufstehen.


Männerservice-Report #202, veröffentlicht am 12. Mai 2020

Betroffene
Väter oder „nicht-obsorgeberechtige Mütter“: Zigtausende. Mindestens einen davon haben Sie sicher in Ihrem nächsten Umfeld.
Kinder: Zigtausende
Verwandte: Zigtausende

Verfasser
Hannes Hausbichler

In der Verantwortung
Zigtausende Mütter oder „obsorgeberechtigte Väter“, welche die Beziehung der Kinder zum anderen Elternteil zerstören wollen.
Eine rechtsstaats- und menschenrechtswidrige Republik Österreich

Ort und Zeitraum:
Österreich, überall, auch wo Sie es gar nicht glauben würden

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