Unrecht + Unrecht = Recht

Carlo* ist ein durchsetzungskräftiges Kind, trotz seiner Jugend. Auch wenn es seiner Mutter, Dora*, überhaupt nicht passt: Er will die Hälfte der Zeit bei seinem Vater, Jonas*, leben, basta! Doras Erklärungen, mit denen sie den Willen ihres Sohnes verhindern will, sind zu durchschaubar, der klare Wunsch Carlos zu unbestreitbar. Unwillig lässt sie ihren Sohn ziehen, denn sie weiß: Bald würde sie ohnehin auch rechtlich ihren Sohn nicht hindern können, und dann verlöre sie ihn möglicherweise ganz.

So richtet sich der junge Mann seine tapfer erkämpfte Doppelresidenz zu Schulbeginn ein und freut sich auf die Zeit und Abwechslung bei Vater und Mutter.

Lassen Sie uns kurz mit Vernunft und Logik überlegen, wie seit diesem Schulbeginn denn die Unterhaltspflicht von Jonas aussieht: Wenn er das Kind zur Hälfte bei sich hat, dann hat sich doch wohl die Unterhaltspflicht erübrigt, nicht wahr? In diese Richtung wird Jonas gedacht haben, denn im September hat er trotzdem den vollen Unterhalt, in den Monaten danach immer noch einen Teil davon an Dora bezahlt. Schon diese Beträge finden wir unrechtmäßig zu viel und rein freiwillige Leistungen von Jonas.

Doch jetzt wollen wir denken wie das österreichische Unterhaltsrecht. Bitte verabschieden Sie sich daher wieder von Vernunft und Logik:

Dora fordert nun, im Dezember, nämlich, dass Jonas sofort alles auf die volle Unterhaltssumme der letzten Monate nachzahlt, und natürlich für die Zukunft den vollen Unterhaltsbetrag, so, als ob sie das Kind weiter hauptsächlich betreute. Jonas will, verunsichert, wissen, ob diese Forderungen rechtens seien.

Nun: Vernünftig betrachtet ist diese unverschämte Geldforderung natürlich nicht rechtens. Juristisch hingegen schon. Jonas hatte nämlich bei der Trennung eine Vereinbarung über den Unterhalt vorgelegt bekommen, die, wie üblich bei Unterhaltsvereinbarungen, die «Pfänd- und Exekutierbarkeit» vorsieht.

Somit kann Dora jederzeit vor Gericht aufkreuzen und fordern, dass Jonas den vollen Unterhalt bis Oktober rückwirkend bezahlt, oder mehr noch: Sie kann dieses Geld gleich schon von seinem Lohn wegpfänden lassen, rückwirkend und für die Zukunft.

Das Gericht ist sogar verpflichtet, bildlich gesprochen «erst zu schießen und nachher zu fragen». Nachdem der Unterhalt jederzeit pfändbar ist, kann Dora bei dem kleinsten, formell laut einem altem Unterhaltsvergleich fehlenden Betrag, dessen Voraussetzung und somit Berechtigung in Wirklichkeit gar nicht mehr besteht, sofort die Pfändung einleiten lassen. Dieser Rechtspfleger, der die Pfändung sofort auszuführen hat, darf gar nicht zur Kenntnis nehmen, dass vielleicht ein paar Büros weiter ein Antrag des Vaters liegt, in dem klar und deutlich nachzulesen ist: Dora wäre gar nicht mehr berechtigt, Unterhalt zu kassieren!

Bitte verzeihen Sie, wenn wir nochmals bildlich erklären, denn es mag unfassbar sein: Sagen wir, Rechtspflegerin Gerda Winkel* bekommt den Antrag Doras auf den Tisch, dass sie fehlende Unterhaltsbeträge von Jonas sofort pfänden soll. Sie hat jedoch vorher bei einem Kaffee mit Kollege Hermann Eckhart* zufällig gesehen, dass der einen Antrag von Jonas auf dem Tisch hat, womit er vom Unterhalt befreit werden soll. Sie weiß also, dass Jonas an sich gar nicht mehr unterhaltsverpflichtet sein dürfte. Doch Hermann Eckart kann diese Unterhaltsbefreiung noch nicht beschließen, er hat zwingende Fristen ablaufen zu lassen.

Also weiß Gerda Winkel genau, dass sie verpflichtet ist, Jonas zu pfänden, obwohl diese Pfändung ungerecht ist. Sie darf nur Jonas auffordern, wie zum Hohn, sich zu äußern, ob er vielleicht diesen widerrechtlichen Unterhalt schon zur Gänze an Dora bezahlt habe. Wenn er den zu Unrecht verlangten Unterhalt jedoch nicht bezahlt hat, ist Gerda Winkel gezwungen, diesen Unrechtsbetrag beim Arbeitgeber von Jonas von seinem Lohn wegzupfänden.

Das war jetzt viel Unrecht, liebe Leserinnen und Leser: Eine an sich zu Unrecht bestehende Unterhaltsverpflichtung wird zu allem Unrecht sogar noch gepfändet. Für unser Unterhaltsrecht bezeichnend ist der Umstand: All diese Häufung von Unrecht auf Unrecht ist – Geltendes Recht in diesem Land unter dieser Politik mit dieser Justiz!


Männerservice-Report #288, veröffentlicht am 4. Januar 2022

Betroffene
Vater: Jonas Fallner*
Kind: Carlo*, 11 Jahre

In der Verantwortung
Dora Fallner*, Carlos Mutter
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Österreich, Dezember 2021

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