Überbrückbar
Viele Väter stehen seit Beginn der Corona-Krise vor finanziellen Sorgen. Manuel Purz* arbeitet in einem Handwerksbetrieb, der schon seit April seine Beschäftigten auf Kurzarbeit reduziert hat.
Jetzt soll er mit 20% weniger Einkommen leben.
Das österreichische Unterhaltsrecht, das hat Manuel bereits zu spüren bekommen, greift sofort zu, wenn er, der Vater der kleinen Sarah*, einmal ein bisschen mehr verdient. Denn dieses Unterhalts-«Recht» hat eine bestechende Logik: Sobald Manuel mehr verdient, habe seine getrennt lebende Tochter automatisch mehr Bedarf, so begründen es die Gerichte – sogar rückwirkend gerechnet gilt dieser Sarkasmus. Wir nehmen das Wort «Logik» an dieser Stelle daher reuig zurück, liebe Leser.
Denn zu recht schließt Manuel aus dem Umstand, dass, wenn er mehr verdient, der Unterhalt steigt, Folgendes: Dann sollte der Unterhalt doch wieder gesenkt werden, wenn er weniger verdient! Wir leben doch einem Rechtsstaat, nicht wahr?
Dieser derart rechte Staat zeigt Manuel jedoch gerne, wie «Recht» in Zusammenhang mit Unterhalt zu verstehen ist:
Die uns bereits bekannte Andrea Bell* vom Bludenzer Gericht, eine immerhin gründlich und korrekt arbeitende Bedienstete, darf den Unterhalt nicht einfach senken, obwohl klar ist, dass Manuel weniger verdient. Sie ist verpflichtet, zuerst die Vertreter des Kindes um Stellung zu bitten. Diese selbstlosen «Vertreter» des Kindes wollen wir dem unbefangenen Leser aufzählen:
Nina Berger*, Sarahs Mutter, gilt rechtlich als selbstlose Vertreterin des Kindes, wenn es um Unterhalt geht. Sie darf für Sarah den Unterhalt kassieren. Doch sie darf selbst, ganz allein, entscheiden, wofür sie das Geld verwendet, und selbst wenn sie es gar nicht für das Kind ausgibt, sondern für sich oder sogar andere, dann ist das immer noch ihr gutes «Recht». Ein Sachwalter würde bestraft für so eine Geldverwendung, in der eine Mutter sogar noch bestärkt wird.
Doch die Vorarlberger Landesregierung stellt der Vertreterin des Kindes, Nina, noch einen Vertreter zur Seite, völlig kostenlos: Werner Fischauer* vom Bludenzer Jugendamt nimmt Nina nicht nur die unangenehme Arbeit ab, Manuels Lohnzettel zu filetieren, sondern geht, im voll bewussten Auftrag der Landesregierung, deutlich weiter:
Erst einmal solle der Unterhalt nicht gesenkt werden, weil die Kurzarbeit ja irgendwann einmal zu Ende sein würde. Also: Weil Manuel irgendwann wieder mehr verdienen würde, was zu hoffen ist, soll er auch jetzt, wenn er weniger verdient, so zahlen als ob er das Bisherige verdient. Ja, wir sagten schon: Das Wort «Logik» haben wir bereits reuig zurückgenommen.
Ja, und dann schluckt Manuel kräftig durch beim Lesen: Er solle eben auf Rücklagen zurückgreifen. Welche Rücklagen denn? Werner Fischauer hat sicherlich keine Information darüber, ob Manuel überhaupt etwas gespart hat – und falls umgekehrt Manuel bereits verschuldet wäre, so weiß dieser Landesbedienstete genau: Seine Schulden würden Manuel beim Unterhalt nicht entlasten. Warum also umgekehrt Angespartes? Im Auftrag der Landesregierung stellt der BH-Mitarbeiter also widerrechtliche Forderungen.
Endgültig rücksichtslos halten wir Werner Fischauers folgende Ausführung: Manuel habe ja keine Ausgaben für «Freizeitaktivitäten und andere Vergnügen mit den Kindern» gehabt, weil diese in der Coronazeit eh verboten seien! Wir verstehen das so: Daher hätte er sich Geld gespart, und das Gesparte könne er ruhig als überhöhten Unterhalt abführen.
Dann dürfte Manuel doch umgekehrt fordern: Die Mutter, Nina, hatte doch sicher auch weniger Geld nötig, wenn sie keine Freizeitaktivitäten mit den Kindern…. – es wird uns schon beim Schreiben zu dumm, so einen unverfrorenen Unsinn tun wir Ihnen nicht an, den wir umgekehrt von der Vorarlberger Jugendwohlfahrt zu lesen bekommen.
Manuels Kurzarbeit mag befristet sein. Doch weder er noch Werner Fischauer wissen, ob Manuel anschließend wieder Vollzeit arbeiten kann. Vielleicht ist es umgekehrt, die Firma gezwungen, ihn zu kündigen.
Wie in aller Welt kann angesichts dieser schweren Krise, der Unsicherheit und Zukunftsangst, vor der Manuel steht, dieser Landesbedienstete schriftlich behaupten: «Die kurze Dauer des verminderten Einkommens müsste vom Kindesvater überbrückbar sein…»
Werner Fischauer hat es selbst nicht notwendig, Lohnkürzungen überbrücken und hat keine Arbeitslosigkeit zu fürchten, im Gegenteil: Er hat Hochsaison! Jetzt sind knallharte Typen mehr denn je gefragt, die mit genau dieser, erschreckenden Art rigoros und ohne gezeigtes Interesse für die Nöte von Vätern regelrecht kämpfen, eisern und blind an der Seite von Müttern wie Nina.
Für ihn und die Verantwortlichen der Vorarlberger Landesregierung, Katharina Wiesflecker und Markus Wallner, wäre es eine wertvolle Erfahrung, selbst einmal etwas zu überbrücken zu haben.
Männerservice-Report #222, veröffentlicht am 29. September 2020
Betroffene
Vater: Manuel Purz*
Kind: Sarah*, 5 Jahre
In der Verantwortung
Werner Fischauer*, Jugendwohlfahrt der BH Bludenz («Jugendamt»)
Nina Berger* Mutter des Kindes
Andrea Bell*, Rechtspflegerin, Gericht Bludenz
österreichisches Unterhaltsrecht
Vorarlberger Landesregierung, besonders Markus Wallner und Katharina Wiesflecker
Ort und Zeitraum:
Vorarlberg, seit April 2020