Student ist nicht gleich Student

Gleichbehandlung: Wie oft wird dieser elementare Grundsatz bemüht in Österreich. Sehen wir uns doch an, wie gleich Studenten behandelt werden, in unserem Unterhaltsrecht, anhand einer realen Person und einem fiktiven Studenten, dessen hier beschriebene Verhältnisse jedoch, leicht beweisbar, real sein könnten:

Ludwig Hinteregger* studiert, um für sich und seine junge Familie eine bessere Existenz schaffen zu können. Zusätzlich verdient er durch Hilfsarbeiten ein wenig dazu, genug zum Leben, wenn da nicht das Niederösterreichische Jugendamt, im Auftrag der Mutter seiner Kinder aus erster Ehe, Dora Miszek*, wäre.

Dieses Jugendamt erklärt, dass bei Ludwig mehr zu holen wäre. Es lässt sich erst gar nicht darauf ein, ob die Kinder, Samuel* und Jonah*, dieses Geld auch wirklich benötigen. Letztlich würde das auch nicht der Wahrheit entsprechen, wenn wir der Schilderung Ludwigs glauben, wie hoch das Vermögen Doras ist. Sie könnte leicht selbst den Kindern von ihrem Geld etwas abgeben, statt Ludwig und seiner Familie das Letzte abzuverlangen. Doch laut unserem Unterhaltsrecht darf sie die Wendung strapazieren: Dora «steht das Geld zu», das Ludwigs Familie umso mehr fehlen wird.

Vor diesem Hintergrund wirkt es umso rücksichtsloser, wenn Dora und das Jugendamt verlangen, dass Ludwig nicht nur hohe Prozentsätze von seiner Hilfsarbeit, die er neben seinem Studium leistet, bezahlt. Das Jugendamt fordert sogar, dass Ludwig von seiner Studienbeihilfe, die er zugesprochen erhalten hat, zusätzlichen Unterhalt bezahlt.

Der über die Untiefen unseres Unterhaltsrechts medial und politisch im Unklaren gelassene Leser mag sich wundern. Doch tatsächlich entspricht es geltendem Recht: Ein Vater darf gezwungen werden, von seiner Beihilfe prozentual Unterhalt zu bezahlen! Sie fließt auf Unterhaltsdeutsch «in die Unterhaltsbemessungsgrundlage ein».

Sehen wir uns jetzt Ludwigs fiktiven Kommilitonen Hubert* an: Ihm wurde zufällig dieselbe Höhe an Studienbeihilfe zugesprochen wie Ludwig. Hubert ist jung, ein Trennungskind seit dem Babyalter, von seinem Vater entfremdet und gegen ihn aufgehetzt. Daher hat Hubert keine Hemmungen, diesen auf den höchstmöglichen Unterhalt zu verklagen, obwohl dessen Verdienst so gering ist, dass gar nicht so viel zu holen ist. Daher bekommt Hubert diese Studienbeihilfe.

Wenn ein Kind selbst Geld verdient, dann reduziert dieses «Eigeneinkommen» die «Unterhaltsbemessungsgrundlage». Daher vermindert das Eigeneinkommen eines Lehrlings beispielsweise den Unterhalt, zu dem der Vater verpflichtet wäre.

Wie ist das nun mit Hubert, Ludwig, der Gleichbehandlung und der Logik, die wir gerne anwenden würden? Demnach hätte doch Huberts Studienbeihilfe ebenfalls in diese «Unterhaltsbemessungsgrundlage» eingerechnet zu werden, also die Unterhaltslast seines Vater zu mildern?

Gut, Sie ahnen es schon als Leser der Reports: Natürlich gelten beim Kind, das Unterhalt vom Vater klagt, andere Regeln! Hubert darf die Studienbeihilfe für sich allein behalten, und trotzdem von seinem Vater so viel einklagen, als ob er die Beihilfe gar nicht hätte.

Zudem wird Hubert auch von der Österreichischen Hochschülerschaft** gleicher behandelt als Ludwig: Beide sind Studenten. Doch die ÖH bietet Hubert mehrseitige Informationsbroschüren, wie er dessen Vater verklagen oder auf gar nicht reale Mehrverdienste anspannen könnte, und unseren Informationen zufolge äußerst schnelle und zuvorkommende Beratung darüber, wie das Letzte aus seinem Vater herausgeholt werden könnte.

Für Ludwigs Notlage, für einen Studenten, der selbst unterhaltsverpflichtet ist, findet sich keine Spur von Hilfsangeboten der ÖH. Er steht wohl auf der falschen Seite.

Für Situationskomik sorgt jetzt noch die Vorstellung, Hubert selbst würde plötzlich Vater: Dann würde nämlich seine Studienbeihilfe bei ein und derselben Person einmal in diese Unterhaltsbemessungsgrundlage eingerechnet, und einmal nicht. Für den Unterhalt, den Hubert plötzlich selbst zu zahlen hätte, würde sie seine eigene Unterhaltsverflichtung erhöhen, zu seinem Nachteil also. Für den Unterhalt, den er gleichzeitig vom frischgebackenen Opa einklagen würde, wäre sie nicht zu seinem Nachteil einzurechnen.

Ja, und wer über dieses Unterhaltrecht tatsächlich noch lachen kann, lese und halte sich den Bauch: Weil Hubert jetzt selbst unterhaltspflichtig wäre, könnte er seine Studienbeihilfe erhöhen lassen. Weil diese Studienbeihilfe dann höher wäre, könnte er wieder auf eine Unterhaltserhöhung geklagt werden.

Ludwig lacht jedenfalls nicht. Wir helfen, zumindest das Schlimmste zu verhindern.


** Die Österreichische Hochschülerschaft nennt sich augenblicklich entweder «Österreichische Hochschüler_Innenschaft» oder «Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft», oder «Österreichische HochschülerInnenschaft». Wir verwenden hier aufgrund der im Netz ersichtlichen Verwirrung der Einfachheit halber das geschlechtsneutrale Plural der männlich/sächlichen/pluralen Endung, daher Österreichische Hochschülerschaft, wobei wir betonen, die korrekte Selbstbezeichnung gerne unkorrigiert wiedergeben zu wollen, wenn sie für uns klar hervorgeht.


Männerservice-Report #267, veröffentlicht am 10. August 2021

Betroffene
Ludwig Hinteregger* und Familie
Samuel* und Jonah*, Kinder aus erster Ehe

In der Verantwortung
Dora Miszek*, Mutter der Kinder
Niederösterreichischer Jugendwohlfahrtsträger («Jugendamt»)
Österreichisches Unterhaltsrecht
Österreichische Hochschülerschaft

Ort und Zeitraum:
Niederösterreich, Frühling 2021

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