So zartfühlend, so rücksichtlos.

Als Martin Berzler vor Jahren erstmals beim Männerservice saß, wirkte er wie ein von innen heraus fröhlicher Mensch, der zuversichtlich schien. Seine Sorgen würden eines Tages ein Ende haben. Bald wird ihn seine Frau Anita nicht mehr auf den letzten Cent Unterhalt für seine Töchter klagen können. Bald wird er alles Finanzielle mit seinen Töchtern regeln können, so hoffte Martin, zukünftig vernünftig über Unterhaltsangelegenheiten sprechen zu können.

Doch als jetzt Martin vor uns sitzt, ist alles Fröhliche aus seinem Gesicht gewichen.

Seine älteste Tochter Soraja ist, so bedauern wir, festzustellen, dem Beispiel der Mutter gefolgt: Wenn Du Geld brauchst, hole es beim Vater.

Soraja ist ins Ausland gezogen, um zu studieren. Dabei wusste sie erst noch gar nicht, was sie in ihrem Leben machen will. Wer soll sich das schon im zarten Alter von 18 Jahren schon überlegt haben? Also beginnt Soraja, Kunstgeschichte zu studieren, im aufregenden Berlin.

Ein Studentenleben will finanziert werden. In diesem Fall von jemanden, der selbst nie die Chance auf ein Studium hatte und daher eine sehr anstrengende und trotzdem schlecht bezahlte Arbeit verrichtet – Sorajas Vater Martin.

Die erste Erwachsenentätigkeit, die Soraja zu ihrer Volljährigkeit in Angriff genommen hat, sozusagen die Initiation der jungen Frau, das Zeichen des entwachsen Seins aus der mütterlichen Obhut, war das Übernehmen einer bald schon Mutter-Tochter-Tradition: Das Verklagen des Vaters auf höchstmöglichen Unterhalt.

Martin würde gerne, wie fast alle in seinem anstrengenden Beruf, seine Arbeitszeit etwas reduzieren. Dem jedoch hat schon seine Ex-Frau Anita energisch einen Riegel vorgeschoben. Martin darf seine Arbeitszeit nicht reduzieren, denn er wird gezwungen, von seinem höchstmöglichen Verdienst vollen Unterhalt zu bezahlen – auch, wenn er diesen höchstmöglichen Verdienst nicht mehr hätte. Anspannung nennt sich, was Politik und Justiz pflegen und somit gegen das Zwangsarbeitsverbot verstößt.

Von Martins hart verdientem Geld darf nun Soraja ihr Studentenleben führen. Selbstverständlich darf Soraja auch dann weiterhin von Martin Unterhalt kassieren, wenn sie ihr Kunstgeschichte-Studium abbricht und einfach ein neues Studium beginnt.

Soraja darf sich auf dem Rücken ihres Vaters in Ruhe überlegen, welches Studium nun wirklich das Richtige für sie ist. Momentan studiert sie doch lieber klassisches Gesang in Paris.

Wir fragen uns gespannt: Wird Soraja doch noch eines Tages eine spät entdeckte, große Sängerin werden? Wird sie mit tiefem Gefühl über Liebe singen, während sie selbst ihrem Vater nur ein Gefühl entgegenbringen kann, nämlich diese Kälte, die sie jetzt zeigt?

Und schließlich bleibt die Frage: Wird unser Familienrecht, werden unsere Politik und Justiz endlich Menschlichkeit zeigen, statt ebendiese Kälte gegenüber einem schwer arbeitenden Mann, der gezwungen wird, dass auf seine Kosten ein Studentenleben geführt werden kann?

Wir jedenfalls setzen uns augenblicklich mit Martins drohendem Privatkonkurs auseinander, denn wegen des hohen und noch lange nicht endenden Unterhalts schafft er es finanziell einfach nicht mehr.


Männerservice-Report #129, veröffentlicht am 11. Dezember 2018

Betroffene
Vater: Martin Berzler*

In der Verantwortung
Soraja*, Anfang zwanzig
Anita*, Sorajas Mutter

Ort und Zeitraum:
Vorarlberg, Paris, August 2018

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