Nicht so höflich, freundlich und gepflegt, bitte!

Seit vielen Jahren schlägt sich Frank Digruber* mühselig mit verschiedenen Jobs durch. Wer jedoch in der Corona-Krise kein festes Standbein aufgebaut hat, verliert den Boden unter den Füßen. Der Mann und Vater eines Sohnes, Bastian*, bangt um seine Existenz.

So beängstigend die Lage für ihn auch so schon ist, endgültig prekär lässt sie erst eine «Kinder- und Jugendhilfe» werden, vereint mit der Bastians Mutter, Anke*, in trauter Eintracht mit einer Rechtspflegerin, Karin Preller* – und ein Gutachter darf nicht fehlen in der Runde aller, die von Frank genau in dieser schweren Zeit Menschenunmögliches fordern:

In dieser Zeit, in der sogar jedes Finanzamt Steuernachzahlungen aussetzt, wollen Anke und Kerstin Drucker* von Frank 9000 Euro über die letzten drei Jahre, weil er zu wenig gezahlt habe – so haben Sie beim Durchblättern der nachträglich eingezogenen Lohnunterlagen Franks festgestellt und ausgerechnet.

Zudem solle der Unterhalt erhöht werden, nicht weil Frank jetzt mehr verdient als früher: Nein, weil er weniger verdient und jetzt schon um seine Existenz kämpft! Anspannung nennt sich das gesetzliche Ungeheuer, das nur über am Boden Liegende herfällt.

Das unterhaltsrechtliche Uhrwerk läuft wieder einmal bestens geölt:

Anke hat die einfachste Aufgabe: Sie braucht nur die Zustimmung zum Eintreiben der Forderung zu geben, und wenn alles erledigt ist, das Geld nachzuzählen.

Kerstin Drucker hat schon mehr Arbeit: Nach dem langwierigen Sortieren aller Lohnunterlagen und dem Abgleich mit den bisherigen Zahlungen hat sie penibel für jeden Monat einen höheren Unterhalt ausgerechnet und die Restzahlungen Monat für Monat aufsummiert – und alle diese Daten fasst sie zu einem Antrag an das Gericht zusammen.

Am Gericht wühlt sich Karin Preller* durch den Antrag. Für die Anspannung beauftragt sie den Gutachter Christian Schmach*. Dieser überrascht wenig, als er mit verblüffender Sicherheit feststellt, dass Frank einen fixen Job schon längst haben hätte können, weil, Zitat, «er durch sein höfliches, freundliches Auftreten und ein sportlich- gepflegtes Erscheinungsbild imponiert».

Es scheint bei so manchen Anspannungsverfahren, dass das Ergebnis ohnehin schon feststeht. Irgendeine Begründung, und überschreitet sie noch so die Grenze jenseits des Sachlichen und hin zur Peinlichkeit, lässt sich schon finden.

Frank erfährt vom Männerservice, wie er gegen die Anspannung zu argumentieren versuchen kann, und wir erklären ihm, was ihn alle genannten Anderen verschwiegen haben: Von den rückwirkenden Forderungen kann er wenigstens abziehen, was er bereits für das Kind zusätzlich zum Unterhalt ausgegeben hat, in den Zeiten, als er das Kind versorgt hat. Was völlig selbstverständlich sein sollte, hat sich ein Vater in Österreich schwer zu erkämpfen.

Karin Preller* wäre verpflichtet, seinen korrekt gestellten Antrag auf diese Entlastung von einer für ihn ohnehin nicht bewältigbaren Zusatzbelastung anzunehmen und ebenso korrekt zu bearbeiten. Doch manche Gerichtsbedienstete lassen selbst uns sprachlos werden:

Die «Rechtspflegerin» will die beantragte Kostenentlastung Franks gar nicht bearbeiten! Sie meint allen Ernstes, er solle zu Anke* gehen, genau der Person, die möglichst viel Geld von ihm erzwingen lassen will, und diese Anrechnung ausgerechnet von ihr unterschreiben lassen.

Wir meinen: Das war nicht schlecht, Frau Preller, Hut ab! Sie zählen zu den Verantwortlichen in Österreichs Familienrecht, denen wir zugestehen: Sie haben sich etwas erlaubt, das wohl bisher einzigartig war in diesem Land. Wir werden helfen, darauf hinzuwirken, dass Sie trotz dieses gewagten Versuchs ihre Mindestpflichten erfüllen.


Männerservice-Report #233, veröffentlicht am 15. Dezember 2020

Betroffene
Vater: Frank Digruber*
Kind: Bastian*, 7 Jahre alt

In der Verantwortung
Anke*, Bastians Mutter*
Karin Preller*, Rechtspflegerin an Bruck an der Leitha
Christian Schmach*, Gutachter
Kerstin Drucker*, Niederösterreichische «Kinder- und Jugendhilfe», Bruck an der Leitha
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Wien, Niederösterreich, August 2020

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