In die Armut getrieben

Für manche geht es Schlag auf Schlag, so für Winfried Koch*. Ihn trifft tatsächlich der nächste Schlag, gnadenlos!

Zuerst traf ihn der schwere Unfall, dann die Querschnittslähmung, und daraufhin die Scheidung, weil seine Frau Edna* ihm vorwarf, dass er sich mit seiner Lähmung nicht fröhlich genug abfinden würde. Der letzte Schlag, nämlich das Anlasten des Verschuldens an der Scheidung, eben weil er sich mit seiner Behinderung nicht abfinden wollte, ist noch kein Jahr her. Wir hatten berichtet: Gleich nach diesem harten Urteil folgte Ednas Klage auf Unterhaltserhöhung für die Kinder.

Besonders hart trifft eine Unterhaltsklage Väter, wenn eine besondere Perversion des Unterhaltsrechts eingefordert wird. Der sogenannte “rückwirkende Unterhalt”.

Österreichs Unterhaltsrecht spielt uns folgendes Szenario vor: Wenn ein Vater, der regelmäßig den vorgeschriebenen Unterhalt gezahlt hat, bis über drei Jahre zurück betrachtet mehr Unterhalt zahlen hätte können, als ihm damals vorgeschrieben wurde, ja dann: Dann hat dieser Vater das Geld, das zusätzlich von ihm zu holen gewesen wäre, sicherlich auf ein Sparbuch gelegt. Zugleich hat die Mutter dieses Geld, von dem wir erst jetzt, nachher, wissen, dass es zusätzlich vom Vater zu holen gewesen wäre, ganz, ganz sicher schon selbstlos vorher für die Kinder ausgegeben, in der mütterlichen Vorahnung, dass den Kindern “mehr Geld zusteht”. So machen es alle Mütter und Väter, nicht wahr? Nach der Logik des Unterhaltsrechts jedenfalls schon.

Daher darf eine Mutter jeden Euro Unterhalt rückwirkend erhöhen lassen, denn Unterhalt, das sagt ja das Wort, ist dafür da, einem Menschen den täglichen, aktuellen Lebensbedarf zu finanzieren,  nicht den vergangenen – Die Aussagen in diesem Satz widersprechen sich? Der Logik nach schon, dem Unterhaltsrecht nach überhaupt nicht.

Einmal mehr greift das Unterhaltsrecht also zu absurden Spitzfindigkeiten, um zu begründen, was sich per Definition bereits widerspricht, ja und was die Justiz einmal zur Wahrheit erklärt hat, gilt vor Gericht nun einmal als wahr, egal, wie Unsinnig die Ausführungen sein mögen. Juristen sind das seit dem Studium schon so gewöhnt, dass es vielen gar nicht mehr auffällt.

Gegen Winfried Koch dient diese absurde Unlogik dazu, um eine grausame Unmenschlichkeit zu rechtfertigen. Edna klagt nämlich den rückwirkenden Unterhalt ein, und zwar von nicht weniger als von seiner Invaliditätspension. Gerade bei Unterhalt stellen wir fest: Die Forderungen kennen allzu oft keine menschliche Untergrenze.

Dabei versorgt Winfried seine Töchter an sage und schreibe 190 Tagen im Jahr, und darüber hinaus, wenn die Mutter selbst, beispielsweise durch Kurse, verhindert war, oder wenn die Kinder krank gewesen sind und daher nicht in der Schule versorgt waren. Edna bringt die Kinder, lässt Winfried für die Töchter kochen und sie versorgen und holt sie am Abend wieder ab. Wir wissen, was das rechtlich betrachtet bedeutet: Weil die Kinder zumeist nicht bei Winfried übernachten, gilt Winfrieds Versorgungsanteil für die Kinder, in Prozenten: Nicht 70%, nicht 50%, nicht 30%, nein: Ganze null Prozent! – Richtig, das sind wieder juristische Prozent, nicht Prozentzahlen der menschlichen Vernunft.

Wir helfen Winfried dabei, trotzdem zu versuchen, seine Betreuungsleistung für die Kinder als “Naturalunterhalt” geltend zu machen, damit wenigstens der rückwirkende Unterhalt entfällt.

Doch das folgende Urteil überrascht selbst uns in seiner Gnadenlosigkeit:

Die Gerichte, im Erst- und Zweiturteil, schmettern seinen Wunsch ab, dass seine Betreuungsleistung anerkannt wird. Sie verweigern ihm, dass er von rückwirkendem Unterhalt entlastet wird. Sie erhöhen nicht nur seine zukünftige Unterhaltsverpflichtung. Sie verurteilen ihn zu einer Nachzahlung von 13.950 Euro und erhöhen zugleich seinen Unterhalt für die Zukunft gewaltig.

Winfried ist am Boden zerstört. Er ist finanziell am Ende. Bis jetzt ist er mit seiner Invaliditätspension gerade noch durchgekommen, doch was jetzt? Wie soll er diese Zahlung leisten können? Er wird seine Töchter nicht mehr versorgen können, verzagt Winfried, er kann sich nicht einmal mehr die Lebensmittel für die Kinder leisten. Einmal mehr ist es der absurde und gnadenlose Unterhalt, der Väter von ihren Kindern entfernt. Damit sich die Mutter alles und noch mehr für die Kinder leisten kann, damit die Mutter sogar aus dem Kindesunterhalt eine beträchtliche Menge Geld für sich abzweigen kann, geht es sich für den Vater nicht mehr aus. So wird Unterhalt zur Trennungsprämie.

Was geht in den Köpfen, was in den harten Herzen eines Gerichts vor, wenn es selbst im eigenen Urteil noch schwarz auf weiß ausweist, dass es einem schwer körperbehinderten Menschen künftig weniger als das normale Existenzminimum lässt und ihm noch dazu Schulden auftürmt?

Was geht in Menschen, Richtern und Rechtspflegern, vor, die über Winfried tatsächlich schreiben:

“Das Gericht erkennt zu, dass der wirtschaftliche Spielraum für den Vater sehr eingeschränkt ist.” – es weiß also genau, dass es Winfried in die Armut treibt und macht, was es am besten kann: Das Unrecht in geschwollene Worte zu kleiden, wenn es zuletzt noch den Zeigefinger mahnend über den am Boden liegenden Winfried erhebt:

“Am Maßstab eines pflichtgetreuen Familienvaters gemessen sind diese Einschränkungen jedoch gerechtfertigt.” – So urteilt das Gericht mit einer abgehobenen Gewissheit, dass jeder “pflichtbewusste Familienvater” ganz von selbst unter dem Existenzminimum leben würde.

Wir sind der Ansicht, jeder Richter und Politiker, der solche Aussagen unterstützt, sollte selbst mit so richtig pflichtbewusstem Beispiel vorangehen: Nämlich ab sofort sich unter das Existenzminimum pfänden lassen und gleichzeitig binnen zwei Wochen 13.950 Euro überweisen, und zwar fairerweise an Väter, welche dieses Unterhaltsrecht in die Armut getrieben hat.


Männerservice-Report #205, veröffentlicht am 2. Juni 2020

Betroffene
Vater: Winfried Koch*
2 Töchter

In der Verantwortung
Edna Koch*
Bezirksgericht Krems-Land
Landesgericht Krems
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Bezirk Krems, 5. Februar 2020

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