Ich zahle sicher nicht!

Mit einem siegessicheren Grinsen erklärt Antonia Dreist* vor Gericht: «Ich habe genau die Variante des Kinderbetreuungsgeldes ausgesucht, mit der ich keinen Unterhalt bezahlen brauche!» Die Rechtspflegerin Greta Balkner* sitzt ihr gegenüber, Erwin Drechsler* blickt sie genau an: Sie verzieht keine Miene, gibt sich mit ihren Akten beschäftigt.

Ja, Antonia zählt zu den wenigen Frauen Österreichs, die unterhaltspflichtig sind –  oder, nicht ganz: Sie wäre unterhaltspflichtig, eigentlich. Amelie* und Susanna*, die gemeinsamen Töchter mit Erwin, sind endlich 14 Jahre alt geworden und konnten selbst entscheiden. Also sind sie zum Vater gezogen, und das sehr entschlossen.

Ob Erwin deshalb Unterhalt für die Töchter verlangen würde? Viele Väter verzichten auf Unterhalt von der Mutter ihrer Kinder, wenn sie einfach nur selbst in Ruhe gelassen werden. Doch diese Ruhe ist Erwin nicht vergönnt: Sohn Bernhard* nämlich ist erst 10. Er darf nicht zum Vater, noch nicht. Und Antonia scheint es egal zu sein, dass Erwin zwei ihrer drei Kinder betreut. Sie verlangt für Bernhard so viel Unterhalt, wie sie kann. Auf gar keinen Fall will sie im Gegenzug für die Töchter Unterhalt bezahlen, und das zu verhindern, kann sehr einfach sein für eine Mutter in Österreich.

Welch Zufall daher, dass Antonia wieder schwanger geworden ist, von ihrem neuen Partner!

Hier erleben wir einmal mehr, was die Republik Österreich unter «Gleichbehandlung» versteht: Eine unterhaltspflichtige Mutter kann die Karenz nutzen, und niemand darf von ihr verlangen, Unterhalt zu bezahlen. Will hingegen ein unterhaltspflichtiger Vater für sein jüngstes Baby in Karenz gehen, so ist es geltendes Recht, nein wieder geltendes Unrecht: Diesem Vater wird die Karenz praktisch verboten. Der Unterhalt für seine großen Kinder wird nicht einen Cent reduziert, nach dem Motto: «Soll er doch arbeiten, statt in Karenz zu gehen!»

Antonia könnte verschiedene Varianten des Kinderbetreuungsgeldes wählen. Mit einer davon würde sie einen Teil als Unterhalt für die Töchter zu bezahlen haben, also wählt sie die andere. Nun gilt in Österreich ja der «Anspannungsgrundsatz», verzeihen Sie den Fachbegriff: Wer eine Einkommensmöglichkeit vernachlässigt, zahlt trotzdem Unterhalt von der Summe, die er nicht verdient.

Doch an diese Anspannungsmöglichkeit denkt Rechtspflegerin Balkner nicht im Geringsten. Sie konzentriert sich auf Wichtigeres: Nämlich darauf, den höchstmöglichen Unterhalt von Erwin zu berechnen, den er an Antonia zu überweisen hat.

Einmal mehr zeigt die österreichische Justiz, was sie von Vätern hält: Und wenn Erwin noch so zwei der drei Kinder bei sich versorgt, von der Kindesmutter bekommt er keinen Cent, aber umgekehrt wird er zur Kasse gebeten. Zu allem Überdruss ist es nun Erwin, der auf ein Fantasiegehalt angespannt wird, eines, das er vor vier Jahren unter vielen Überstunden einmal verdient haben mag.

Liebe Leserinnen und Leser: Oft hören wir die Moralpredigten der Vertreter dieses Unterhaltsrechts, wie sehr es um «Verantwortung» und so selbstlos nur um das Kindeswohl gehe. Blicken Sie mit Hilfe der Männerservice-Reports einmal mehr hinter diese falsche Fassade, hier am Beispiel von Erwin und seinen Kindern, denen selbst kaum Geld zum Leben bleibt.

Wir sehen uns Erwins Beschlüsse an, suchen mit ihm Wege und Möglichkeiten.


Männerservice-Report #177, veröffentlicht am 12. November 2019

Betroffene
Vater: Erwin Drechsler*
Kinder: Amelie* und Susanna*, 14 Jahre, sowie Bernhard*, 10 Jahre alt

In der Verantwortung
Antonia Dreist*, Mutter der Kinder
Greta Balkner*, Rechtspflegerin an einem niederösterreichischen Bezirksgericht
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Niederösterreich, Juni 2019

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