Gemauert
«Keine Sorge, wir finden schon eine Lösung.» Markus Winter* schöpft Hoffnung, als ihn Günter Oed* vom Bezirksgericht verabschiedet, mit dem Auftrag, in zwei Wochen seine Lohnzettel zu bringen zum gemeinsamen Termin mit Tamara*, der Mutter seiner Kinder, und einer Vertreterin des «Jugendamts», dem Amt, das auf der Seite der Mutter eine Unterhaltserhöhung fordert.
550 Euro hat der Arbeiter von seinem geringen Verdienst monatlich an Tamara überwiesen, und gutmeinend bezahlt er zusätzlich Monat für Monat eine private Krankenversicherung für seine Kinder, über fast 80 Euro. Doch das «Jugendamt» fordert nun in Tamaras Namen 840 Euro, ohne jede Berücksichtigung dieser Versicherungsbeträge, die Markus mit Tamara als Teil seines Unterhalts vereinbart hatte.
Wie wird nun die gute Lösung aussehen, die Günter Oed gemeinsam mit allen Beteiligten finden will? Mit seinen Lohnzetteln und stiller Hoffnung im Gepäck erscheint Markus vor Gericht. Doch plötzlich interessiert sich Günter Oed nicht mehr für seine Einkommensnachweise, sondern nur mehr dafür, wie hoch die Vorstellungen Tamaras seien. Der Mann, der Markus die Hoffnung auf eine Lösung in Aussicht gestellt hatte, legt diesem Vater nun eine noch höhere Forderung zur Unterschrift vor: Zu 850 Euro monatlich soll er sich jetzt, sofort, per Unterschrift verpflichten. Markus steht enttäuscht auf und geht. Nun bittet er uns um Hilfe.
Uns bietet sich ein befremdliches Bild: Markus wurde offenbar bewusst im Unklaren gelassen, dass die geforderten Beträge viel zu hoch sind. Der Unterhalt mag nach Prozenten zu berechnen sein – doch nicht vom Nettoeinkommen, sondern erst nach Abzügen von diesem Netto.
Vor der Einführung des «Familienbonus Plus» konnte nach der Berechnung eine «Anrechnung der Familienbeihilfe» abgezogen werden, eine wichtige Entlastung für Väter. Durch den Familienbonus wurde diese Anrechnung restlos gestrichen. Ja, Sie verstehen richtig: Seit dem Familienbonus sind Väter verpflichtet, mehr Unterhalt zu bezahlen, auch wenn die Mutter schon zusätzlich den halben Bonus selbst kassiert. Doch wenigsten darf ein Vater seitdem seinen Teil des Familienbonus herausrechnen, ebenso wie seinen «Unterhaltsabsetzbetrag», bevor seine Unterhaltsprozente errechnet werden.
Zudem darf ein Pendler die Hälfte seiner Fahrtkosten, die er gezwungen ist, zur Erwirtschaftung des Unterhalts auszugeben, abziehen, bevor die Prozente errechnet werden. Diese Entlastung ist das Mindeste, was die Vernunft gebietet. Ansonsten würden einem Vater Prozente einer Summe angelastet, die er gar nicht verdient, weil er sie für die Fahrtkosten zur Arbeit auszugeben gezwungen ist. Markus fährt über 100 Kilometer zur Arbeit pro Tag. Selbstverständlich sind diese Fahrten mit Öffentlichen nicht zumutbar, sollten sein Arbeitgeber und seine Wohnung nicht direkt an gut frequentierten Bahnhöfen mit Schnellzuganschluss liegen.
Daher ist sonnenklar: Markus wurde, als Laie unter Druck im Gerichtsverfahren, nicht über das Mindeste an Entlastungsmöglichkeiten aufgeklärt. Doch schon starrt Markus auf einen Gerichtsbeschluss: Ab jetzt wird er zu 840 Euro verpflichtet. Die rechtlich zustehenden Entlastungen sind natürlich nicht eingerechnet, sollen ihm wohl weiter verschwiegen werden.
Jetzt hat Markus keine Zeit. Wir erklären ihm, dass er schnellstmöglich den Abzug von Familienbonus, Unterhaltsabsetzbetrag und den Fahrtkosten in einem «Rekurs» beantragen soll und wie er darin die Höhe der Fahrtkosten vorrechnet. Die kurze Frist läuft schon. Die rechtliche Lage ist klar, der Rekurs wird ihm wohl recht geben – so sehr wir wissen: In Österreichs Familienrecht ist alles möglich, sogar Rechtsbrüche durch Richter.
Leider stellt Werner Maurer*, der Vorsitzende des Rekurssenats, genau das unter Beweis: Er weist tatsächlich den berechtigten Rekus ab. Kopfschüttelnd lesen wir die Begründung:
Die Abzüge von Familienbonus und Unterhaltsabsetzbetrag seien zwar geltendes Recht, schon. Aber Werner Maurer will einfach nicht geltendes Recht einhalten. Daher begründet er: Früher, also vor dem November 2020, hätten diese Abzüge ja verweigert werden können. Ja, früher, als im Gegenzug die «Anrechnung der Familienbeihilfe» gestattet wurde, welche jetzt Markus jedoch ebenfalls verweigert wird. Dieser Richter holt sich aus verschiedenen Grundlagen der Vergangenheit unzusammenhängend jeweils das heraus, das ihm passt und Markus maximal schadet.
So wundert es schon gar nicht mehr, dass Werner Maurer die Fahrtkostenanrechnung ablehnt. Erst ab 30.000 Kilometer pro Jahr seien solche Kosten eine echte Belastung, meint dieser Richter unter Missachtung geltenden Rechts, nennt eine Zahl, die Markus knapp nicht erreicht, und setzt in seiner Begründung fort: Markus hätte eigens haarklein dazuschreiben sollen, dass die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich sei. Das geht unserer Ansicht nach sowieso aus dem Antrag hervor, doch ebenso geht klar und deutlich hervor:
Werner Maurer will einfach Markus Winter nicht recht geben, obwohl dieser in Wahrheit recht hat. Das ist einfach möglich in dieser Justiz. Keiner der bisherigen Gerichtsabläufe war öffentlich, transparent und daher kritisierbar. Ohne die Männerservice-Reports würden Sie nicht davon erfahren.
Für die Gerichte wird jedoch wohl nicht das letzte Wort gesprochen sein. Wir wollen nicht hinnehmen, dass ein Richter derart offensichtlich und widerrechtlich mauern darf.
Männerservice-Report #272, veröffentlicht am 14. September 2021
Betroffene
Markus Winter*
zwei Kinder
In der Verantwortung
Tamara*, Mutter der Kinder
Jugendwohlfahrtsstelle einer Bezirkshauptmannschaft («Jugendamt»)
Günter Oed*, Rechtspfleger eines Bezirksgerichts
Rekurssenat eines Landesgerichts unter Vorsitz von Richter Werner Maurer*,
Ort und Zeitraum:
Österreich, Mitte 2021, keine näheren Angaben aufgrund der Angst des Betroffenen vor Revanche der Behörden