Die missglückte Abnabelung

Werner Zubcic* ist für seinen Sohn Simon* der wohl schlechteste Mensch, den er sich vorstellen kann. Dieser Sohn lehnt seinen Vater mit jeder Faser seines Körpers ab.

Wenn es seine Eltern betrifft, gibt es für Simon keine Schattierungen. Es gibt nur Schwarz und Weiß. Er hasst seinen Vater. Er liebt seine Mutter über alles. Was auch immer sein Vater macht, es ist böse, schlecht und grundfalsch. Seine Mutter Nina* hingegen handelt stets edel, gut und richtig. Diese extreme Polarisierung ist typisch für entfremdete, aufgehetzte Trennungskinder.

Über Kindesentfremdung, über den allgegenwärtigen, unausgesprochenen Erwartungsdruck, den eigenen Vater zu hassen und gegen ihn an Stelle der Mutter ins Felde zu ziehen: Darüber wurden Bücher geschrieben. Ebenso viele Bücher könnten darüber geschrieben werden, wie viele Menschen diese seelische Gewalt vieler Eltern, meist (doch natürlich nicht immer) von Müttern, rechtfertigen und bagatellisieren. Möglicherweise gehören auch Sie, vereehrter Leser, dazu, und wehren sich gerade nach Kräften gegen diese Aussagen.

Wir geben Ihnen einen Einblick. Am Besten machen wir es wie Nina. Wir lassen Werner erst gar nicht zu Wort kommen, nur Nina und darauffolgend Simon. Auf Wunsch zeigen wir Ihnen einen vielsagenden Brief von Nina an das Gericht, als sie vor fünf Jahren, wieder, mehr Unterhalt wollte. Wir fassen zusammen:

Sie können nachlesen, wie wortreich Nina in diesem Schreiben ans Gericht abstreitet und unzählige Male wiederholt, hinter dem blinden Hass zu stehen, den Simon auf seinen Vater aufgebaut hat. Alles, alles entscheide ihr Sohn selbst, völlig unbeeinflusst von ihr. Dann geht sie ins Detail, fünf ganze Seiten lang. Sie spricht die ganze Zeit nicht von, sondern für Benjamin. Sie will ganz genau wissen, wo und wann ihn sein Vater enttäuscht hat, und manchmal rutscht ihr ein “wir” heraus – Sie und ihr Sohn. Ja, wir wissen, schriftlich kann gar nichts herausrutschen, und doch trifft es das Wort am Besten. Denn offensichtlich bemerkt Nina selbst beim Schreiben und nachher Durchlesen gar nicht, wie sehr sie ihren Sohn vereinnahmt, wie sie sich widerspricht, wenn er doch so unbeeinflusst sein soll, und dann wieder schreibt, was “wir denken”. Sie sieht nicht, wie deutlich zutage tritt, wie sehr das Bild der Welt ihres Sohnes und vor allem das Bild seines Vater ihr gehören will, sie es zu voller Gänze zu verstehen glaubt und das möglicherweise sogar zutrifft – weil sie das Vaterbild ihres Sohnes bestimmt.

Seitenlang erzählt sie von Simon und seinem Innersten, so einnehmend, dass der Leser glauben könnte, sie schreibe von sich selbst. Doch dem skeptischen Leser kommt mehr und mehr die Frage auf: Warum ergeht sie sich so derart lange darin, dass sie ihren Sohn niemals beeinflusst habe?

Und das Schreiben ist noch lange nicht zu Ende: Noch auf derselben Seite fünf, in der ihre Schriften enden, beginnt ein neues Schreiben. Diesmal stammt es von Simon. Es ist ungewöhnlich bei einem Unterhaltsantrag einer Mutter, dass ein Kind selbst Stellung nehmen will. Schrift, Ausdrucksweise und die auffallend ausnehmende Länge lassen vermuten: Das hat doch dieselbe Person geschrieben, welche das Schreiben der Mutter verfasst hat! Dann folgen heftige Vorwürfe: Als sich der Vater nicht gemeldet hat – das nimmt ihm Simon übel. Als sich der Vater dann gemeldet hat – auch das nimmt ihm Simon übel. Es folgt ein vorwurfsvolles Zitat der Kontaktaufnahme (Hallo, Simon, wie geht es Dir?…. Wenn Du willst können wir uns sehen…), denn auch das wird als böse aufgefasst, dann die herzergreifende Schilderung, wie seine Mutter ihm “sanft erklärt habe”, dass dieser Versuch der Kontaktaufnahme eigentlich böse gemeint war…

Solche Vorwürfe lesen sich bekannt für viele Trennungsväter: Es ist, als ob Ihnen das Atmen vorgeworfen wird. Sollten Sie jedoch Atemstillstand haben, wird Ihnen das Verweigern der Atmung vorgeworfen. Solche Vorwürfe sind fast schon wieder befreiend. Sie drehen sich so völlig realitätsfrei im Kreis, dass sie gar keinen realen Bezug mehr zu Ihren eigenen Handlungen haben.

Im Weiterlesen erleben Sie bereits Bekanntes, umgekehrt: Jetzt spricht der Sohn für seine Mutter, erzählt von ihrem “wohlig warmen Gefühl” in der Schwangerschaft. So, jetzt hat Nina aber übertrieben, beim Schreiben im Namen ihres Sohnes! Es ist zu unglaubwürdig.

Als dann Simon noch schildert, was seine väterliche Großmutter Böses zu seiner Mutter gesagt haben soll, oder dass seine Tante Beate* seiner Mutter ausgerichtet habe, sein Vater habe kein Interesse an ihm, wird klar und deutlich: Das Bild des bösen Vaters kommt nur aus Informationen der Mutter – die nicht stimmen. Beate hat seit der Trennung kein einziges Mal mit Nina gesprochen.

Ja, und dann der bitterliche Vorwurf an den Vater, er würde behaupten, seine Mutter lüge. Jetzt schließt sich der Kreis. Wenn die Mutter lügt und das Kind aufhetzt, bestätigt sich das Urteil über den bitterbösen Vater: Schließlich unterstellt er der geliebten Mutter sogar noch Lügen!

Die Fortsetzung schmerzt schon: Nina schreibt unter dem Namen und aus der Sicht ihres Sohnes, wie großartig sie doch sei: Ehrlich, liebevoll, herzlich, beachtet und bewundert, mutig, intelligent… Wie offensichtlich eine Mutter ihren Sohn, dessen Gefühle und seine ganze Wahrnehmung doch vereinnahmen kann!

Es ist, also ob Simon immer noch an der Nabelschnur hängt, eine Nabelschnur aus Panzerstahl, undurchdringlich und so unentrinnbar.

Eingangs hat Nina selbst beschrieben, ihr Sohn sei kein Mensch der vielen Worte. Dafür ist “sein” Schreiben aber recht lange geworden… Natürlich hat dies Nina geschrieben, denn sie ist offenbar eine Frau der sehr, sehr vielen Worte.

Jetzt ist Simon 24 Jahre alt. Er ist Nina wahrlich ein guter Sohn. Er studiert trotz unterdurchschnittlichem Erfolg, fordert in harschem Ton Unterhalt von Werner und klagt diesen mit Anwalt vor Gericht ein.

Es wundert uns nicht: In jeder Verhandlung trohnt die Mutter im Gerichtssaal, als “Vertrauensperson” Simons.

Unser Unterhaltsrecht ist nicht der Totengräber dieser Vater-Kind-Beziehung. Das war schon vorher unser lasches Kontaktrecht. Dieses Unterhaltsrecht ist jedoch der Grabschänder und Grabräuber dieser Beziehung. Es lässt zu, dass die wichtigste Beziehung von Menschen, jene von Eltern zu Kindern, nach ihrer absichtlichen Zerstörung sogar noch finanziell ausgeschlachtet wird.


Männerservice-Report #210, veröffentlicht am 7. Juli 2020

Betroffene
Vater: Werner Zubcic*
Kind: Simon*, 24 Jahre alt
väterliche Verwandte, unter anderem Beate*, Werners Schwester und Simons Tante

In der Verantwortung
Nina*, Simons Mutter
österreichisches Familienrecht, österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Österreich, Dezember 2019

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