Der löchrige Mieterschutz

Mietrechtlich betrachtet ist Kurt Fährmann Untermieter. Von seiner Tante, einer Rechtsanwältin, weiß er um die Rechte, die ihm der Mieterschutz gewähren sollte.

Der hohe Schutz von Mietern dient zur Sicherung eines elementaren Grundbedürfnisses: Jenem des Menschen auf Wohnraum. Doch in Österreich bestehen selbst bei den grundlegendsten Bedürfnissen für Menschen Ausnahmen, wie dieser Mann gerade festgestellt hat.

Kurt ist nämlich Untermieter seiner Partnerin, Hildegard*. Rein mietrechtlich darf sie ihn nicht einfach von einer Sekunde auf die nächste auf die Straße setzen. Und doch steht Kurt jetzt auf dieser, der Straße. Statt mit polizeilicher Hilfe in seinen Wohnraum und zu seinen notwendigsten Sachen gelangen zu können, hält genau diese Polizei ihn davon fern. Recht ist also relativ hierzulande.

Vor drei Jahren ist Kurt bei Hildegard eingezogen. Oft bezahlte er die komplette Miete für beide, immer wieder sprang er für Mietrückstände ein. Dabei nutzte er in vielen Nächten die Wohnung gar nicht, wegen Hildegards Verhalten:

Sie könne nämlich von einer Minute auf die andere richtiggehend explodieren, erzählt Kurt. Dann beschimpft sie ihn aus das Übelste oder bewirft ihn mit Gegenständen – bis Kurt geht. Hin und wieder habe er bei Freunden übernachtet, dann wieder im Keller ihrer Wohnung.

«Ich habe sie niemals bedroht oder geschlagen. Ich habe sie nur geliebt, sonst nichts. Dies war auch der Grund dafür, dass ich dies so lange mitgemacht hatte.» So erklärt Kurt in eigenen Worten und nimmt damit vorweg, was die Leser der Männerservice-Reports schon erahnen w erden.

An einem Sonntag, den 11. Juli, wird Hildegard wieder auf das Tiefste beleidigend, schildert Kurt –  einmal zu viel für ihn. Er will diese Beziehung jetzt beenden. Als er am Mittwoch darauf in die Wohnung will, die immer noch sein Zuhause ist, stellt er fest: Die Tür ist von innen verschlossen. Hildegard hat ihn ausgesperrt.

Kurt ist müde, hat die Streitigkeiten satt. Er will jetzt schlafen, die letzte Zeit in derselben Wohnung mit dieser Frau steht er noch durch. Doch Hildegard reagiert nicht.

Nun kennt dieser Mann einen anderen Weg. Die Verandatür schließt schon lange nicht mehr richtig. Er drückt sie kurzerhand auf und steigt in die Wohnung, vorbei an der auftrumpfenden Hildegard, von der er noch zu hören bekommt: «Jetzt habe ich Dich, Du bist eingebrochen.» Mit einem gleichgültigen Kommentar legt sich Kurt auf die Couch. Er will schlafen, nicht streiten. Straftat hat er ohnehin keine begangen, solange jemand, der sich Zutritt in die eigene Wohnung verschafft, kein Einbrecher ist – solange wir alle also nicht mehrmals täglich Einbrecher sind, wenn wir nach Hause kommen.

Kurz darauf stehen Polizisten in der Wohnung und geben sich drohend, einschüchternd. Hildegard wird befragt, Kurt nicht. Diesem werden die Schlüssel abgenommen, er darf sich der Wohnung auf 100 Meter nicht mehr nähern. Diese aus seiner verständlichen Sicht als willkürlich empfundene Wegweisung, die ungerechte Stigmatisierung als «Gefährder» und der als voreingenommen und aggressiv erlebte Umgang der Polizisten mit ihm schockieren Kurt. Er will gegen die Wegweisung und die drohende, folgende Einstweilige Verfügung ankämpfen. Doch dafür sollte er endlich einmal vernommen werden. Bis jetzt ist er zu Hildegards Unterstellungen gar nicht zu Wort gekommen.

Für die überfällige Vernehmung haben die Polizisten auf der Dienststelle lange keine Zeit. Erst elf Tage später wird er endlich vernommen, und dabei stellt er fest: Er soll nur wegen einer Sachbeschädigung weggewiesen worden sein. Das ist natürlich Unsinn. Sollte ein billiges Verschließteil von ihm ramponiert worden sein, könnte ist das eine wahrlich alarmierende Gefahr für die Kleinstbeschläge dieses Landes sein, doch nicht für Leib und Leben.

Zugleich jedoch hat Hildegard Kurts Reisepass aus seinem Auto entwendet, klagt Kurt. Vermutlich beabsichtige sie ihn, unter Missbrauch dieses Dokuments aus der Wohnung abzumelden zu versuchen, meint er. Daher will Kurt Hildegard wegen tatsächlichem Einbruch und Diebstahls bei der Polizei anzeigen. Die Beamten hätten ihm jedoch trocken erklärt: Diese Anzeige würden sie einfach nicht aufnehmen.

So erkennt Kurt, ebenso wie seine entsetzte Tante, die Anwältin: Weder der Mieterschutz, der Schutz des Besitzes oder der Schutz vor Willkür gelten, wenn eine Frau in Österreich unter Zuhilfenahme von Vorwürfen alle Grundrechte eines Menschen übertrumpft.

Wir forderten die Landesregierung zu einer Stellungnahme auf. Die vielsagende Antwort senden wir Ihnen gerne zu.


Männerservice-Report #278, veröffentlicht am 26. Oktober 2021

Betroffene
Kurt Fährmann*

In der Verantwortung
Hildegard Wütrich*
Eine Polizeistelle im Bezirk Bregenz
österreichisches Gewaltschutzsystem
Vorarlberger Landesregierung und -verwaltung

Ort und Zeitraum:
Bezirk Bregenz, Vorarlberg, Juli 2021

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