Der Jojo-Effekt
Hansjörg Keller* kennt sich bereits recht gut aus im Unterhaltsrecht – leider, wie immer, wenn ein Betroffener seine Lehren über die Jahre auf eigene Kosten zieht.
Er weiß: Weil sein Sohn, Bastian*, neuerdings eine Lehrlingsentschädigung als eigenen Monatsverdienst hat, darf seine Mutter, Berta*, nicht mehr, wie bisher, 655 Euro von Hansjörg fordern – zumindest auf dem Papier. Der Unterhalt ist herabzusetzen. Doch wer nimmt diese Herabsetzung vor, und hoffentlich schnell und zuvorkommend?
Erst, wenn nämlich eine Herabsetzung rechtsgültig ist, kann Berta nicht mehr zu viel Geld von Hansjörg fordern. Sollte die Herabsetzung zwar berechtigt, aber noch nicht beschlossen sein, dann, ja dann: ist Hansjörg einfach verpflichtet, Monat für Monat so lange zu viel zu bezahlen, bis endlich der Beschluss da ist – und er kann nichts von all den Summen, die er nachweislich zu viel bezahlt hat, wieder zurückfordern. Das werden Sie vielleicht nicht glauben, weil es ja völlig unvernünftig ist. Doch genau diesen Missstand hat ein Höchstgericht vor langer Zeit zur Wahrheit erklärt, also die Unvernunft zur „richterlichen Wahrheit“ werden lassen.
Früher hätte sich Hansjörg mit seinem, berechtigten, Anliegen an das „Jugendamt“ gewandt. In Wien ist dieses „Jugendamt“ eine Dienststelle namens „MA11“, die sich mit dieser völlig mütterlastigen Ausführung der Unterhaltsmaximierung rühmen darf. Mittlerweile weiß Hansjörg: Das „Jugendamt“ berechnet immer zu seinen Ungunsten. Daher beantragt er die Herabsetzung sofort vor Gericht.
Doch dieses Gericht, das bei Anträgen einer Mutter flugs jede Erhöhung zulasten des Vaters beschließen würde und für jeden vergangenen Monat seit Antragsstellung eine Rückforderung vom Vater beschlösse, lässt sich Zeit – wie es bei Herabsetzungsanträgen üblich ist, genau bei diesen Begehren also, in denen jeder verlorene Monat unberechtigte hohe, nicht rückforderbare Zahlungen für den Vater bedeuten.
Was würden Sie unternehmen? Vermutlich dasselbe wie Hansjörg: Im Dezember überweist er einfach gar nicht an Berta. Seit Bastians Lehrantritt hat sie in Summe ohnehin mehr kassiert, als selbst im Unterhaltsrecht berechtigt gewesen wäre.
Doch wir sind eben im Unterhaltsrecht, wir wiederholen uns: Jede Zahlung von September bis November ist um 200 Euro zu hoch gewesen, 655 statt 455 Euro. Wenn jemand rechnen kann und will, würde er einsehen, dass 600 Euro zu viel an Berta geflossen sind, und wenn er die eigentlich korrekten 455 Euro an Berta im Dezember weglässt, hat sie zwar immer noch zu viel bekommen in Summe, aber immerhin weniger an „zu viel“.
Im Unterhaltsrecht wäre es nun folgendes üblich – Nein, nicht das, was die Vernunft gebietet: Es einfach einmal gut sein zu lassen für den Dezember – nein: Üblich wäre es, wenn eine Mutter oder deren „Jugendamt“ den Vater sofort lohngepfändet. Dann werden die 655, ja die immer noch zu Unrecht zu hohen Beträge, ab dem Dezembergehalt des Vaters einfach vom Arbeitgeber eingezogen, und in aller Zukunft wird weiter gepfändet, damit der Vater nie wieder den richtigen Unterhalt selbst einzahlen kann, sondern die Bezieherseite, Mutter oder Jugendamt, so lange wie möglich überhöhte Beträge direkt von der Lohnbuchhaltung des Vaters einziehen lassen kann, bevor geprüft wurde, ob die Beträge überhaupt berechtigt sind.
Üblicherweise enden solche Angelegenheiten dann, vorerst, ein halbes Jahr nach Antragsstellung des Vaters. Das Gericht beschließt endlich eine Herabsetzung, nach über einem halben Jahr, in dem der Vater zu viel gezahlt hat. Das Jugendamt pfändet aber weiter direkt, jetzt eben weniger. Alles zu viel Gepfändete wird nicht zurückbezahlt, keine Chance für den Vater. Wenn dann die Lehrlingsentschädigung Bastians im Herbst wieder steigt, beginnt das Spiel von vorn: Hansjörg kann wieder eine Herabsetzung beantragen, doch das MA11 und Berta pfänden wieder einen Betrag von seinem Einkommen, von dem sie genau wissen, dass er zu hoch ist, während sie hoffen, dass das Gericht sich wieder Zeit lässt. Zeit ist Geld für Berta, Monat für Monat darf sie unberechtigt zu viel kassieren.
In diesen Fall verhält es sich anders – nicht besser, das wäre eine Rarität im Unterhaltsrecht: Bastian hatte seine Lehrstelle verloren. Sofort setzen Berta und MA11 nach, damit der Unterhaltsanspruch wieder steigt!
Doch im Laufe des Verfahrens haben Berta und Esther Kozs* vom MA11 wohl „vergessen“, dass Bastian schnell wieder eine neue Lehrstelle hatte. Von diesem Einkommen, das die neue Mehrbelastung gleich wieder verringert hätte, erfährt Hansjörg erst später. Sollten den betreffenden Damen ihr Versäumnis nicht ganz so unbewusst geschehen sein, so träfe ein klarer, juristischer Begriff zu.
Wir lassen Hansjörg die abschließenden Worte:
„Als Mann dürfte man immer der schlechter gestellte sein bei dieser Politik. Es gibt auch keine wirkliche Hilfe oder Beratung. Mann ist dem System total ausgeliefert.“
„Sicher wäre es der einfachere Weg sich der MA 11 zu beugen. Aber es gehört Gegenwehr, sonst machen die mit uns Männer was sie wollen.“
Männerservice-Report #351, veröffentlicht am 21. März 2023
Betroffene
Hansjörg Keller*
Sohn Bastian*, 14 Jahre
In der Verantwortung
Berta Keller*, Bastians Mutter
MA11, Wiener „Jugendamt“, vertreten durch Esther Kozs*
ein Wiener Bezirksgericht
österreichisches Unterhaltsrecht
Ort und Zeitraum:
Wien, Herbst 2022