Blind und Taub

Arbeit, Hausbau, Corona, und dann noch dazu eine Krise in der Beziehung mit Evelyn*: Alfred* ist an der Grenze zum Burnout. Evelyn hält jedoch zu ihrem Lebenspartner. Sie und die Kinder, Stefan* und Sofia*, brauchen ihn, lieben den Alltag mit ihm, erst recht in dieser schweren Zeit, die sie durchleben.

Doch an manchen Abenden ist das Nervenkostüm besonders dünn, wie an diesem Dienstag im März, und dann zeigt es Risse. Der Konflikt zwischen Evelyn und Alfred wird laut, enttäuscht knallen Türen hinter verzweifelten Seelen zu, einfach um kurz allein zu sein, durchzuatmen, aufkommende Tränen zu bekämpfen und doch wieder neue Kraft zu suchen.

Die Wände sind dünn, und die Decken lassen durch, was für keines Nachbarn Ohren bestimmt gewesen ist. Diese Nebenbewohner haben die dramatischen, emotionalen Botschaften und Vorurteile unseres «Gewaltschutzes» wohl sehr ernst genommen. In felsenfestem Vorurteil gehen sie davon aus, dass der Nachbar die Nachbarin wohl schlagen wird – dass hier wieder einer dieser Fälle vorliegt, in denen «die häusliche Gewalt wegen Corona eskaliert». Letztere Aussage, die politisch und medial verbreitet wird, ist einfach unwahr. Durch eine andere Zählweise erreicht das «Gewaltschutzsystem» neuerdings höhere Zahlen angeblicher häuslicher Gewalt – zufällig genau dann, als die Prophezeiungen über den Anstieg von Wegweisungen nicht und nicht eintreffen wollten, konnten aufgrund der geänderten Auswertungsmethode doch noch höhere Zahlen präsentiert werden. Warum hat das jedoch mit Alfred und Evelyn zu tun?

Weil das österreichische Gewaltschutzsystem Vorurteile schafft und massiert: Von Männern und allein Männern, die gewalttätig seien, von angeblich überhohen Dunkelziffern, die uns sagen sollen, dass ohnehin noch viel zu wenige Männer weggewiesen würden, von Männern, die immer und jederzeit zu einer Gefahr für ihre Partnerin werden können, als ob ein Ungeheuer in jedem Mann schlummere.

Diese Vorurteile führen jetzt dazu, dass Alfred von der Familie weggewiesen wurde: Vier Mann und Frau hoch stehen, von den Nachbarn alarmiert, plötzlich in der Wohnung, und nehmen den Sachverhalt und Aussagen der Beteiligten auf, so objektiv, wie es nur im Gewaltschutz geschehen kann:

Alfred beteuert, niemals gewalttätig gewesen zu sein. Evelyn beschwört, dass er nie geschlagen habe, mehr noch: Dass sie sich niemals durch ihn gefährdet fühlen würde. Zwischendurch beruhigt sie die Kinder, die erst jetzt Angst haben, dafür panisch: Jetzt, als die «Gewaltschützer» drohend in der Wohnung stehen.

So funktioniert eben Österreichs vorgeblicher Gewaltschutz:

Gesteht der Mann eine Tätlichkeit ein, wird er weggewiesen. Beteuert der Mann andererseits, dass er nicht gewalttätig ist, wird er trotzdem weggewiesen.

Wirft die Frau dem Mann vor, er sei gefährlich oder gewalttätig, wird der Mann weggewiesen.

Versichert die Frau jedoch, der Mann sei keinesfalls gefährlich, ja dann: Wird der Mann manchmal sogar trotzdem weggewiesen.

Alfred und Evelyn haben Pech. Die Polizisten sind übereifrig. Warum? Weil ihnen die oben beschriebenen Vorurteile wohl allzu häufig und emotional eingebläuft wurden, und weil sie unter Ergebnisdruck stehen, denn ein Ruf zur Wegweisung sollte tunlichst erfüllt werden, egal, wie die Sache vor Ort tatsächlich aussieht.

So zieht Alfred, der diese Wegweisung jetzt in seiner augenblicklichen, schweren Zeit, gerade noch benötigt, für zwei Wochen zu seinen Eltern. Ständig rufen Evelyn und die Kinder an, sie brauchen ihn, Evelyn fühlt sich überlastet, und der liebevolle Familienmensch Alfred fehlt ihnen allen so sehr.

Evelyn bemüht sich verzweifelt darum, dass Alfred nach Hause darf. Doch sie hat keine Chance. Die Wegweisung bleibt unerbittlich aufrecht. Weder die Polizei noch die Bezirkshauptmannschaft interessieren sich dafür, dass die Frau, die sie vorgeblich schützen wollen, aber die sich nicht gegen ihren Willen vor einer nicht existenten Gefahr «retten» lassen will, einfach nicht Opfer des Mannes sein will.

Die selbsternannten Beschützer ihrer selbst auserkorenen Beschützungsopfer verrennen sich so nur noch tiefer in ihren vorgefassten Beurteilungen der Familie:

Während die Kinder herzzerreißende Bilder der gemeinsamen Familie malen und dem schmachtenden Alfred senden, tritt die Jugendwohlfahrt auf den Plan, denn hier, weiß sie mit vorgefasster Sicherheit, sei Gewalt in der Familie im Spiel. Evelyn und Alfred haben vor den Befragungen dieser Behörde Angst. Das ist allzu verständlich, nach all der Blindheit und Taubheit, die sie in den letzten Tagen erlebt haben.

Diese Wegweisung geschah nicht auf Basis von Beweisen oder Aussagen, sondern entgegen selbiger, nur auf der Basis von Vorurteilen. Die «Gewaltschützer» Österreichs nennen die erfolgreiche Schaffung dieser Vorurteile «Sensibilisierung».

Daher will der Männerservice Bewusstsein schaffen, sensibilisieren an den Stellen, die bereits so taub und gefühllos anmuten: Dem Gespür gegenüber Rechtstaatlichkeit und jenem der Objektivität.


Männerservice-Report #258, veröffentlicht am 8. Juni 2021

Betroffene
Alfred Kuster*
Evelyn Liebscher*, Lebensgefährtin
Kinder: Sofia*, 3 Jahre, und Stefan*, 6 Jahre

In der Verantwortung
eine burgenländische Polizeidienstelle und Bezirkshauptmannschaft
Jugendwohlfahrt im Burgenland
vier amtshandelnde Polizistinnen und Polizisten
österreichisches «Gewaltschutzzsystem»

Ort und Zeitraum:
Burgenland, März 2021

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