Das böse Verschuldensprinzip

Mitten in einer zutiefst schmutzig gewordenen Scheidung sprechen sich diese Betroffenen beim Männerservice aus. Ulla* kann kaum mit ansehen, wie übel ihr Partner Paul* in diesem Familienrecht behandelt wird, und Paul selbst erkennt, wie rückständig Österreich sei. Doch in einem Kritikpunkt wollen wir nicht zustimmen:

«Ach, dieses Verschuldensprinzip…», so hatte sein Anwalt gestöhnt: Österreich ist eines der wenigen Länder, in denen bei einer strittigen Scheidung das Eheverschulden festzustellen ist. Genau dieses Eheverschulden sei so heiß umfehdet, nur deshalb würde die ganze Schmutzwäsche gewaschen, nur deshalb erlebte Paul die unfassbaren Falschbeschuldigungen, nur wegen des Streits um das Eheverschulden würde eine Scheidung so viel Leid verbreiten, so meinen viele Juristen.

Wir halten jedoch diese Aussage für eine Fehldiagnose – oder für eine Kritik, welche den entscheidenden Punkt vergisst oder verschweigt.

In Wirklichkeit geht es nämlich weder Männern noch Frauen in einem Scheidungsprozess darum, wer tatsächlich am Scheitern der Ehe schuld sei. Es geht um nur und allein um Eines: Um Geld.

Wenn das Eheverschulden nämlich keine schwerwiegenden Folgen für Paul hätte, könnte er frei heraus behaupten, er fühle sich Schuld am Scheitern der Ehe, könnte sich gleichgültig das Verschulden zusprechen lassen, und er hätte die Scheidung schnell hinter sich – kurz, doch nicht schmerzlos wäre diese Scheidung in der heutigen Rechtslage:

Ab dem Zeitpunkt dieses Eingeständnisses würde nämlich auf Paul die Verpflichtung zu Ehegattenunterhalt lasten. Vielleicht hat seine Noch-Frau Katrin eines Tages einen Freund, der zu ihr zieht- dann hat die Republik für kurze Zeit einen anderen Dummen ausgemacht, der Katrin finanziert. Sollte jedoch Katrin lieber ununterbrochen Unterhalt von Paul kassieren, lässt sie ihren Freund gar nicht bei sich melden, und Paul zahlt weiterhin, oder spätestens, wenn Katrin eines Tages wieder Single ist. Obskur wird Ehegattenunterhalt in der Pension: Dann zahlte Paul bei weniger Einkommen anteilig mehr denn je an Katrin, und damit ersparte der Mann nur der Republik die Ausgleichszulage für Katrin, ohne dass diese profitierte.

Sie erkennen vermutlich: Hier geht es gar nicht um ein Eheverschulden in moralischer Hinsicht. Hier geht es um Pauls zukünftige Existenz.

Paul hat die Chance, seine finanzielle Zukunft zu retten, wenn er eine Möglichkeit nutzt, welche vor langer Zeit geschaffen wurde, damit Frauen, welche entweder ihren Gatten betrügen oder ihn für einen anderen verlassen, nicht absurderweise auch noch Ehegattenunterhalt vom Mann verlangen dürfen – eben dass die Unterhaltsberechtigung nur besteht, wenn der Frau kein überwiegendes Eheverschulden nachzuweisen ist.

Paul mag ja recht haben: Diese Regelung mag veraltet sein – doch auch der entscheidende Zusammenhang ist mehr als veraltet. Der Ehegattenunterhalt selbst nämlich ist das eigentliche Fossil, nicht das davon abgeleitete Eheverschulden!

Wenn jemand also die Abschaffung des Verschuldensprinzips fordert, stellen Sie ihm bitte umgehend die Gretchenfrage: Wie hält er es denn dann mit dem Ehegattenunterhalt?

Wer nämlich nur und alleine das Verschuldensprinzip abschaffen würde, der verurteilte ab dem Zeitpunkt dieser Abschaffung jeden früheren Ehepartner, Männer ebenso wie Frauen, jeden, der sich ein höheres Einkommen erarbeitet als der andere, automatisch zu lebenslangen Unterhaltszahlungen. Ganz besonders würde dies dazu führen, dass die Pensionen vieler Menschen, zumeist von Männern, einbrächen, weil sie für Zeiten, in denen ein Ex-Ehepartner nicht gearbeitet hat, de facto dessen Pension zu übernehmen hätten, anstatt dass die Republik dies mit ihrer Ausgleichszulage täte.

Somit sollte nicht das Verschuldensprinzip, sondern der Ehegattenunterhalt ersatzlos abgeschafft werden. Wer jedoch die familienrechtliche Kartellbildung der Parteien gegen solche Fragen der Fairness kennt, wird wohl wissen, dass der Schritt in die richtige Richtung aus Unwillen dieser Parlamentsparteien nicht geschehen wird.

Daher ist die Forderung nach Abschaffung des Verschuldensprinzips entweder hinterhältig, wenn der Fordernde weiß, wie viele Existenzen von Ex-Ehepartnern so zerstört würden, oder im Besten Fall blauäugig.

Für uns gilt es daher, den bereits beschriebenen, fehlenden Willen zur Fairness zu schaffen. Diese Reports sind ein Teil dieser Arbeit.


Männerservice-Report #321, veröffentlicht am 23. August 2022

Betroffene
Paul Kirschner*
Ulla Klein*, Pauls Partnerin
Kinder und väterliche Verwandte

In der Verantwortung
Katrin Kirschner*
österreichisches Familienrecht mit involvierten Juristen und verantwortlichen Politikern

Ort und Zeitraum:
Niederösterreich, Mai 2022

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