Das schlechte Einvernehmen

«Auf jeden Fall wollen wir alles einvernehmlich lösen!» Dieser Vorsatz steht oft am Beginn einer Trennung. Dabei sind wir aus zahlreichen Erfahrungen heraus der Ansicht: Nicht das «Gute Einvernehmen», sondern die «Gute Lösung» sollte das oberste Ziel sein. Wenn der Preis der Einvernehmlichkeit ständige schlechte Ergebnisse sind, dann ist mit so einer erzwungenen Trennungsharmonie niemandem auf Dauer geholfen.

Seit fünf Jahren will Lukas Zimmermann* so ein Einvernehmen mit Karoline* halten, über alle Belange hinsichtlich der gemeinsamen Kinder.

Doch für ein wirklich tragfähiges Einvernehmen sind zwei Eltern notwendig, die sich beide an Gerechtigkeit statt am eigenen Vorteil, den unser Familienrecht leider oftmals statt Gerechtigkeit bietet, orientieren.

Monat für Monat überweist Lukas 1000 Euro an Karoline als Geldunterhalt, der für die Kinder gewidmet sein soll. Zusätzlich versorgt er seine Sprösslinge in den Zeiten, die sie regelmäßig beim Vater verbringen, gut . Karoline fordert jedoch ständig neue Zusatzzahlungen von Lukas ein, für Ausgaben, welche sie selbst, ganz allein, bestimmt hat.

So beginnen immer wieder dieselben mühseligen Diskussionen. Lukas will Karoline überzeugen, erklärt, dass er doch ebenso persönlichen Bedarf habe, sein Einkommen nicht unbegrenzt sei, dass sie doch nicht ohne Rücksprache mit ihm hohe Ausgaben für die Kinder planen solle, dass er doch selbst für die Kinder in der Zeit bei ihm Geld aufwende und ihnen auch hin und wieder Schönes gönnen wolle, kurz: Lukas redet sich den Mund fusselig, im Bemühen, mit Karoline einen einvernehmlichen Kompromiss zu finden.

Doch für Karoline besteht nur eine Möglichkeit des Einvernehmens: Indem Lukas jede Vorstellung Karolines erfüllt! Lukas realisiert allmählich: Diskussionen sind sinnlos. Sein Streben nach Einvernehmen kostet ihm so viel, bis er es sich finanziell nicht mehr leisten kann – das Einvernehmen, das immer teurer wird.

Hinter der trauten Trennungsharmonie, welche Lukas so gerne erreicht hätte, modert es längst. Wenn der Vater nämlich eine Sonderausgabe nicht mehr zur Gänze finanzieren kann, hetzt die Mutter. Während der Vater die Kinder vor solchen Diskussionen verschonen will, wirft ihm der Älteste, Alexander, jetzt schon vor, was ihm die Mutter einbläut: Weil er, der Papa es nicht bezahlte, könne er, der Sohn, an keinen Unternehmungen in der Schule teilnehmen, und der gewünschte Laptop würde ihm ebenfalls vorenthalten, wegen des Geizes des Vaters, der die Kinder so schändlich darben lasse.

Lukas will nun verzweifelt wissen, welche Sonderausgaben denn wirklich rechtens seien. Oft erkennen wir, dass die gewünschte Antwort auf eine Frage nicht die entscheidende Hilfe bringt.

Ob nämlich Karoline die Überweisung der einen oder anderen Sonderausgabe «zustehe», löst nicht den wahren Missstand: Dass diese Mutter, abseits der rechtlichen Maximalbelastbarkeit des Vaters, diesen vor den Kindern schlecht macht, um damit finanzielle Interessen durchzusetzen. Wie soll nun Lukas reagieren? Er will sich zu solchen Vorwürfen der Kinder, die in Wahrheit von der Mutter ausgehen, rechtfertigen, doch er will nicht denselben Fehler der Mutter begehen, will nicht schlecht über sie sprechen.

Wir empfehlen in solchen Fällen, sich erst einmal bewusst zu machen, wer hier den Kindern Geld vorenthält, und rechnen:

Karoline hat in fünf Jahren 60.000 Euro Geldunterhalt bekommen. Miete bezahlt sie keine für den Wohnraum, wenn es anders wäre, erhielte Sie wiederum Mietkostenzuschuss und ihr stünde somit, weil die Kinder bei ihr gemeldet sind, aufgrund ihres Sorgerechts deutlich mehr Geld zur Verfügung. Zusätzlich hat Karoline mit der Summe aus Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträgen 23.000 Euro bezogen, also hätte sie in diesen fünf Jahren 83000 Euro für die Kinder zur Verfügung gehabt.

Wenn wir den statistischen «Regelbedarf» der Kinder heranziehen, wären seitens Karoline jedoch nur 44.000 Euro für die Kinder aufzuwenden gewesen.

Lukas ist von dieser Sichtweise verblüfft, denn solche geradezu ketzerischen Fragen fallen Vätern einfach nicht ein: Was in aller Welt hat Karoline mit 39.000 Euro in den letzten Jahren gemacht, welche sie für die Kinder zusätzlich auszugeben gehabt hätte? Sicherlich hat sie nicht monatlich fast den doppelten Regelbedarf benötigt.

Daher wäre die berechtigte Antwort auf jeden Vorwurf, dass die Kinder zu wenig Geld für Sonderausgaben bekommen, nicht jene, warum der Vater nicht noch mehr bezahlen solle, sondern: Warum gibt die Mutter den Kindern das Geld nicht, das sie in den letzten Jahren überwiesen bekommen und ihnen vorenthalten hat?

Keinesfalls besteht ein Grund für Lukas, sich zu rechtfertigen, sehr wohl jedoch für Karoline. Es wäre gerechtfertigt, nicht den Kindern, sondern der Mutter erst einmal diese Zahlen vorzulegen und die drängenden Fragen zu stellen, die sich ergeben. Erfahrungsgemäß denken solche Mütter, welche so fordern und über die Kinder Druck erzeugen, nicht im Traum daran, dass sie selbst das Geld wieder herausgeben sollen, welches sie zu Unrecht zu viel bezogen haben, doch die Vorwürfe und das Moralisieren verlieren dann schlagartig ihr Fundament.

Die Reaktion auf diese trockene Aufstellung der Tatsachen mag dann Aggression sein, und das Einvernehmen mag Geschichte sein ob dieser nüchternen Tatsachenauflistung. Doch es würde schwerer für Karoline, die Kinder gegen den Vater zu hetzen, wenn sie weiß: Lukas hat ihren Missbrauch seiner Unterhaltssummen durchschaut!

So sehr dieser Report zeigt, dass einseitiges Streben nach Einvernehmen der falsche Weg sein kann: Selbstverständlich unterstützen wir jeden, der einvernehmliche Lösungen sucht, und vergessen nicht: Sehr oft können Eltern faire Lösungen finden, und dann ist das Einvernehmen die richtige Methode. Es ist jedoch der Weg, nicht das Ziel.


Männerservice-Report #291, veröffentlicht am 25. Januar 2021

Betroffene
Vater: Lukas Zimmermann*
Kinder: Alexander*, 12 Jahre, und Pia*, 9 Jahre

In der Verantwortung
Karoline*, Mutter der Kinder
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Tirol, Dezember 2021

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