Der unheimliche Fremde

«Warum starrt dieser Mann mein Kind so an?», würden in einer Mutter bange Gedanken aufkeimen. Erst schien es, als ob er einfach nur ein Passant gewesen ist, also der Spielplatz nur zufällig an seinem Weg gelegen wäre. Dann jedoch hat er das Kind entdeckt, den sechsjährigen Sohn der Frau. Sein Blick ist an dem Kind haften geblieben. Sein Gang ist langsamer geworden, bis der Mann stehen geblieben ist, in sicherer Distanz, wo er sich ungesehen glaubte.

Ihr kleiner Sohn spielt unbekümmert mit seinem Vater, ahnt nicht, dass er beobachtet wird. Soll die Mutter warnend zu ihrem Mann gehen? Soll sie die Polizei rufen? Erst wird sie ihn fotografieren, diesen verdächtigen Schatten. Als sie in ihrer Tasche nach ihrem Handy kramt, so unauffällig sie kann, ist der Unbekannte verschwunden. Sie sieht ihn noch fortgehen, auf eine gebeugte Weise, dass er kleiner wirkt als vorher…

Ein anderer kleiner Junge in derselben Stadt. Er sitzt auf einer Parkbank, schleckt sein Eis, wartet, bis sein Vater seine Zeitung gekauft hat am Kiosk nebenan. Der Junge blickt einem Hund nach, einem Hund, wie er ihn gerne hätte, und lässt seinen Blick abschweifen. Da erblickt er ein Augenpaar, das ihn anstarrt.

Der Mann steht einen Wurf von ihm entfernt, wie angewurzelt. Mit versteinertem Gesicht starrt er ihn an. Einen endlosen Augenblick lang reißt der Mann die Augen auf, sein Starren wird durchdringend, als ob er auf eine Reaktion des Jungen harren würde, als ob er auf glaubt, der Junge würde ihn erkennen. Doch schlagartig reißt er seinen Blick los, und es scheint, als ob er fliehen würde, mit abgewandtem Blick und versteinerter Miene. Wovor flieht er? Vor dem Jungen? Nein, er flieht davor, was ihn jetzt überkommt.

Was treibt diesen dunklen Mann dazu, kleine Jungen so unheimlich anzustarren? Wer ist dieser Unbekannte?

Das könnte Markus Osler* sein, in naher Zukunft. Wir schildern ihm so eindrücklich wie möglich, wie seine Zukunft aussehen könnten, wenn – ja, wenn er umsetzt, was er vorhat.

Was ist geschehen?

Markus ist Vater des fünfjährigen Daniel*. Sein Sohn hängt ebenso an ihm wie er umgekehrt. Doch die Mutter, Janine*, will den Kontakt zwischen Vater und Kind erschweren.

Einmal mehr kann ein Vater sein Kind nur deshalb nicht zu sich nehmen und zu Hause oder bei seinen Verwandten unbeschwert Zeit verbringen, einfach nur, weil eine Mutter das nicht will. Daher dürfen sich Vater und Kind seit Jahren nur in der Besuchsbegleitung sehen, kurz und überwacht.

Janine hat jedoch an jeder Einrichtung, die Besuchsbegleitung anbietet, etwas auszusetzen. Markus müht sich quälend ab, den unzähligen Vorwänden Janines gerecht zu werden. Auch, wenn leicht erkennbar ist, dass die ständigen, immer neuen, anderslautenden und oftmals lächerlichen Einwände gegen jede Besuchseinrichtung nur ein Spiel sind, das den Zweck verfolgt, es dem Vater so schwer wie möglich zu machen: Das Gericht greift nicht ein. Es lässt Markus im Hamsterrad laufen, wie Janine es will.

Markus läuft immer wieder und wieder gegen eine Wand. Janine darf unter Deckung der österreichischen Justiz und Politik ein grausames Spiel daraus werden lassen, dass sich ein Vater so sehr darum abmüht, seinen geliebten Sohn wenigstens eine gute Stunde alle paar Wochen überhaupt zu Gesicht zu bekommen.

All das kostet Markus unheimlich Kraft. Jeder Abschied von seinem Sohn könnte der letzte für lange Zeit sein. Jeder Signalton einer Nachricht auf dem Handy lässt ihn zusammenzucken. Schreibt Janine schon wieder endlos lange Beschwerden an ihn, schließt sie wieder damit, dass er Daniel erst dann wieder sehen könne, wenn Markus die nächste Aufgabe der quälenden Schnitzeljagd zu ihrer, höchstens vorläufigen, Zufriedenheit ausgeführt hat?

So sehr ihn der Gedanke schmerzt, seinen Sohn nie wieder zu sehen: Er kann einfach nicht mehr! Er spricht mit uns, dem Männerservice. Er will aufgeben. Er will sein Kind vergessen, damit der Schmerz irgendwann endet.

Was folgt, haben Sie eingangs gelesen. Aus unserer Erfahrung heraus schildern wir Markus, dass er es nicht schaffen wird, sein Kind zu vergessen. Fortan würde ihn der Gedanke quälen, dass er seinen Sohn nicht einmal mehr erkennen würde, wenn er ihm auf der Straße oder im Park zufällig begegnen würde. Dann würde er ein Kind so anstarren, wie wir beschrieben haben und hoffen ebenso wie bangen, ob dieses Kind sein Sohn sein könnte.

Jeder Junge in diesem ungefähren Alter, der auf der Straße wie selbstverständlich, gedankenlos und nebenbei die Hand seines Vater nimmt, so selbstverständlich, weil der Vater immer da ist – jeder Vater, der so alltäglich liebevoll mit seinem Sohn umgeht, würde ihm einen tiefen Stich versetzen.

Sein Sohn Daniel wäre mehr denn je in seinen Gedanken, der Schmerz niemals abzuschütteln.

Zudem mahnen wir: Würde Markus jetzt aufgeben, so verziehe ihm Daniel das nie, würde der Sohn seinen Vater sein ganzes Leben lang hassen – denn alles, was er von seinem Vater wüsste, stammte aus dem Mund seiner Mutter, und das wären die üblen, falschen Vorwürfe und Unterstellungen.

Wenn jedoch Markus nicht aufgibt, wenn er nachweislich trotz aller Widerstände sein Bemühen fortsetzt, so ist es wahrscheinlich, dass Daniel sich eines Tages ein objektives Bild machen wollte, nicht aus den Erzählungen von Mutter oder Vater. Diese objektiven Beweise produziert nicht nur Markus, ganz besonders Janine liefert einen Beweis nach dem anderen ab, wie sehr sie die Beziehung von Vater und Kind zerstören will: Eben weil Markus den Behördenweg antritt, eben weil sich die Akten füllen, in denen Janine so klar erkennbar zerstört, Vater und Kind schadet.

Markus hat uns sehr lange, zugehört. Sein Schweigen war dröhnend. Der sinkende Blick, der schwere Atem, die Schultern, die immer tiefer hingen, alles an diesem Vater zeigte, wie sehr jedes Wort traf, wie real das Bild des Markus in der Zukunft für ihn ist, der aus unbewältigtem Schmerz zu einem seltsamen, unheimlichen Unbekannten wird, statt zu einem Vater, der eines Tages die Tür öffnet und seinen Daniel vor sich stehen sieht: Einen Meter größer, viele Jahre älter, und mit dem herzergreifenden Wunsch, all diese Jahre ungeschehen werden zu lassen.

Was folgt, sind unsere Wege und Empfehlungen, die Ämter in Bewegung zu bringen, die zerstörerische Haltung Janines sichtbar zu machen sowie eine Chance für Vater und Sohn zu schaffen.

Markus verlässt uns mit etwas mehr Zuversicht. Wir wünschen ihm, dass sie ihn nie verlässt.


Männerservice-Report #225, veröffentlicht am 20. Oktober 2020

Betroffene
Vater: Markus Osler*
Kind: Daniel*, 5 Jahre
väterliche Verwandte

In der Verantwortung
Janine* Daniels Mutter
österreichisches Familienrecht

Ort und Zeitraum:
Wien, Mai 2020

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