Vom Virus lernen

Plötzlich steht Martin Bremstock* da, so wie die 400 Anderen, die gestern noch seine Arbeitskollegen gewesen sind: Aufgrund der Corona-Krise hat sein Arbeitgeber allen Mitarbeitern gekündigt.

Ab sofort ist Martin auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen. Sein Einkommen sinkt schlagartig.

Martin ist für seine beiden Töchter da, so oft es ihm möglich ist. Die 12-jährige Tatjana lebt bereits hauptsächlich bei ihm, die vierjährige Johanna bei der Mutter, obwohl er sie oft zu sich nehmen kann und gut versorgt.

Wie oft in solchen Fällen ist der Unterhalt, der vom Vater verlangt wird, deutlich höher als der Unterhalt, den derselbe Vater von der Mutter für das andere Kind verlangen kann – der Männerservice hat bereits berichtet, von diesen zweierlei Maßstäben zwischen Mutter und Vater.

Doch auch in der Corona-Krise erlebt Martin Bremstock wieder die zweierlei Maßstäbe:

Sein Verdienst ist von einem auf den anderen Tag gesunken. Somit dürfte er doch ebenso den Unterhalt senken lassen, von einem Tag auf den anderen, richtig?

Er wendet sich an das Bezirksgericht mit seiner Bitte. Die Rechtspflegerin Cosima Lombardi* an diesem Gericht verzieht jedoch die Miene, als der Vater seinen Unterhalt herabsetzen lassen will: Im Moment hätte das Gericht, besonders aufgrund der Corona-Krise, so viel Arbeit, daher würde die Bearbeitung des Herabsetzungsantrags leider ein halbes Jahr dauern… so lässt diese Rechtspflegerin ihre Worte in die Hoffnungslosigkeit hin verklingen und wartet, sieht Martin an, wartet weiter, in der Hoffnung, dass Martin endlich wieder geht.

Cosima Lombardis Wunsch erfüllt sich, Martin wendet sich zum Ausgang – doch er wendet sich sogleich an den Männerservice. Dort erfährt er, dass er, wie so viele Väter, nicht wirklich falsch informiert wurde, sondern, und das ist das Tückische daran: Er wurde nicht falsch, sondern nicht vollständig informiert. Alles, das ihm geholfen hätte, hat ihm diese Pflegerin des Unrechts verschwiegen:

Ab dem Zeitpunkt, ab dem Martin seinen Antrag stellt, hat er eine Handhabe dagegen, sollte sich herausstellen, dass er in den nächsten Monaten zu viel bezahlt. Wenn er jedoch seinen Antrag gar nicht erst stellt, dann gelten falsche, überhöhte Unterhaltsverpflichtungen weiterhin. Sollte sich später herausstellen, dass ihm zu viel genommen wurde, so erhält er keinen Cent zurück. Treue Leser der Reports wissen: Der österreichische Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass jede noch so unfreiwillig überhöhte Unterhaltszahlung als “in Gutem Glauben verbraucht” gilt, bereits ab der Sekunde, ab der diese überwiesen wurde.

Selbst wenn Martin seinen Herabsetzungsantrag stellt, braucht er, ohne dass ihm wenigstens eine einzige öffentliche Stelle nur den geringsten hilfreichen Tipp gibt, fundierte Kenntnisse im Unterhaltsrecht, damit er wenigstens zurückbekommt, wozu er gezwungen wird, nämlich monatelang überhöhten Unterhalt zu bezahlen. Denn Cosima Lombardi hat ja bereits erklärt: Sie hat vor, sich sehr, sehr lange Zeit zu lassen für die Herabsetzung. In dieser Zeit ist er gezwungen, den überhöhten Unterhalt trotzdem zu bezahlen. Nur mit sehr fachgerechten Absicherungen, am besten per Einschreiben und zusätzlich auf jeder Überweisung, kann er sich rechtlich absichern, dass er das zu viel bezahlte Geld eines Tages zurück bekommt, wenn die Rechtspflegerin sich bequemt hat, den Antrag eines Tages doch noch zu bearbeiten – und selbst dann nur, wenn er selbst wieder mit guter Formulierung und Vorgehensweise explizit verlangt, dass das zu viel bezahlte Geld gut geschrieben wird.

Wir waren beim “zweierlei Maß”: Würde nämlich umgekehrt die Mutter den Unterhalt hinaufsetzen lassen wollen, so ist auffällig, dass die Anträge kein halbes Jahr bei Gericht liegen. Ob Corona oder nicht, in der halben Zeit ist die Unterhaltserhöhung sicher durch, und eine Mutter, die ihr Geld bis auf das Antragsdatum zurück haben will, braucht das gar nicht erst eigens zu fordern: Eine Unterhaltserhöhung mit Gültigkeit zurück zum Antragsdatum ist selbstverständlich in Österreich, und der Vater zahlt sofort alle Fehlbeträge auf einmal nach, binnen 14 Tagen oder Exekution.

Das einzige in Österreich, das Väter und Mütter wirklich gleich behandelt, ist das Virus. Das österreichische Unterhalts- und Familienrecht ist bereits derart krank, dass es sogar von einem krankmachenden, bösartigen Virus etwas lernen könnte.


Männerservice-Report #195, veröffentlicht am 24. März 2020

Betroffene
Vater: Martin Bremstock*
Kinder: Tatjana*, 12 Jahre, und Johanna*, 4 Jahre

In der Verantwortung
Cosima Lombardi*, Rechtspflegerin an einem Bezirksgericht
österreichisches Unterhaltsrecht
Oberster Gerichtshof in Österreich

Ort und Zeitraum:
Steiermark, März 2020

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