Nicht für die Kinder, für die Mutter ist das Geld

Der Kindesunterhalt ist einzig und allein für die Kinder! Fast alle, die für das österreichische Unterhaltsrecht arbeiten, werden Ihnen das beteuern. Was die Experten sagen, wird schon stimmen, richtig? Oder kommen auch Ihnen bei Martin Stockers* Beispiel Zweifel auf?

Oft werden wir mit Vereinbarungen konfrontiert, wie sie Martin Stocker mit der Mutter seines Sohnes Leon*, mit Nadja* getroffen hat: Der «gesetzliche»* Kindesunterhalt steht sowieso außer Frage. Doch zusätzlich erklärt sich Martin bereit, für seinen Sohn Leon eine Lebensversicherung und einen Bausparvertrag abzuschließen und die Prämien zu bezahlen.

Kindesunterhalt, Bausparprämien und Lebensversicherung: Welches dieser Gelder ist nun wirklich für das Kind?

Der Kindesunterhalt beläuft sich auf 752 Euro pro Monat, im Augenblick. Nadja will diesen Betrag jetzt kräftig erhöhen lassen, mit Hilfe des Magistrats und des Bezirksgerichts. Nach unserer Abschätzung wird der Unterhalt künftig 1150 Euro monatlich betragen. Dieses Geld bekommt nicht Leon, sondern seine Mutter, zusätzlich erhält sie 207 Euro pro Monat Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag.

Nadja erhält also in Summe zukünftig über 1350 Euro pro Monat, «für Leon», so sollen wir glauben. Kommt Leon dieses Geld tatsächlich zugute? Martin weiß es nicht. Nadja allein entscheidet darüber, ob und wofür sie dieses Geld ausgibt. Niemand darf darüber Auskunft verlangen, weder das Kind noch diejenigen, welche diese Summen leisten, also der Vater oder der Staat. Für den Teil dieses Geldes, das sie vielleicht doch ihrem Sohn zukommen lässt, wird sich Leon bei seiner Mutter bedanken, so als ob es ihr Geld wäre, von dem sie ihm etwas schenkt – womit es damit praktisch als Geld der Mutter betrachtet werden kann.

Der Bausparer und die Lebensversicherung hingegen, bei diesen Beträgen können wir uns sicher sein: Das ist wirklich Geld nur für das Kind! Über die Auszahlung des Bausparvertrags wird sich Leon freuen dürfen, wenn er volljährig ist, und über die Auszahlung der Lebensversicherung erst recht, deutlich später und mit deutlich höheren Auszahlungssummen. Diese beiden monatlichen Beiträge Martins sind sicher und direkt für das Kind, der Unterhalt nur vielleicht und indirekt. Für das Geld aus Bausparer und Lebensversicherung wird Leon seinem Vater dankbar sein, für das Geld vom Unterhalt kann er nicht seinem Vater danken. Ob es für ihn ausgegeben wird, hängt ja von seiner Mutter ab.

Es kommt, wie abzusehen war: Nadja will plötzlich von Martin rückwirkenden Unterhalt. Beim Nachrechnen bemerkt sie nämlich, dass Martin viel mehr hätte zahlen können, also darf sie nachfordern. Leider werden für Martin mehrere tausend Euro kurzfristig fällig sein. Sind diese Summen für das Kind? Nun, selbst die Gerichte geben zu: Dieses Geld soll Unterhalt “für Leon” sein, nämlich für die Jahre 2017, 2018 und 2019, für eine Zeit, in der für Leons Unterhalt schon gesorgt gewesen ist. Also: Der rückwirkende Unterhalt ist gar kein Unterhalt, Nadja kann sich davon keinen Burger mit Pommes und Cola kaufen, den Leon 2017 oder 2018 nachträglich isst, und keine Jeans mit der Kleidergröße, die Leon vor drei Jahren hatte. Den Burger und die Jean, die Leon möglicherweise heute braucht, kann sie vom laufenden Unterhalt kaufen. Ist der rückwirkende Unterhalt also wirklich Unterhalt? Natürlich nicht. Und wer erhält die Summen, die Unterhalt genannt werden, aber in Wahrheit gar kein Unterhalt sind, überwiesen? Nadja!

Nun fragen wir uns: Das Geld, das wirklich sicher für Leon ist, Bauspar- und Lebensversicherungen, darf Martin dieses vom Unterhalt abziehen, vom zukünftigen, oder wenigstens vom rückwirkenden? Einmal mehr hat der österreichische Oberste Gerichtshof auf diese bange Frage eine verblüffende Antwort, er hat, so nennt es sich, «erkannt», was wir einfach nicht zu erkennen in der Lage sind:

Keinesfalls! Geld, das eindeutig für das Kind ist, darf niemals Unterhalt genannt werden! Lassen Sie uns das interpretieren: Geld, welches für das Kind in dieser zukunftssichernden Form ausgegeben wird, gilt nicht als Unterhalt – weil Nadja keinen Zugriff darauf hat, weil dieses Geld sicher «nur» für das Kind ist und nicht auf das Konto der Mutter geht, daher darf es nicht für den Unterhalt gutgeschrieben werden.

Geld jedoch, das offensichtlich nicht zur Gänze für das Kind ausgegeben wird, darf als «Unterhalt» gelten – einfach, weil es der Mutter zur Verfügung steht.

Viele in Jugendämtern, Gerichten und der Politik erheben moralisierend den Zeigefinger über unterhaltspflichtige Väter: Die auferlegten Summen seien «nur für das Kind und das Kindeswohl», schon das Anzweifeln dessen gilt als «verantwortungslos.» Wir meinen: Es ist verantwortungslos, über die Realität derart plump und rücksichtslos hinwegzutäuschen.


Männerservice-Report #240, veröffentlicht am 2. Februar 2021

Betroffene
Vater: Martin Stocker*
Leon*, 16 Jahre alt

In der Verantwortung
Nadja*, Leons Mutter
österreichisches Unterhaltsrecht, geschaffen durch
die österreichische Bundespolitik und
die österreichischen Gerichte, vor allem den Obersten Gerichtshof

Ort und Zeitraum:
Wien, Oktober 2020

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