Da hilft kein Morphium!

Siegmund Rettich* ist sehr krank. Seit Jahren suchen Ärzte verzweifelt die Ursache. Augenblicklich gehen Sie dem Verdacht nach, ein Tumor könnte Siegmund so sehr quälen. Doch zu all dem Übel quält Siegmund das Unrecht, das ihm durch Österreichs Gewaltschutzsystem widerfährt:

Seine Ex-Freundin Barbara* wäre ja schon ausgezogen gewesen. Am Vortag hat sie, beweisbar per E-Mail, der Hausverwaltung mitgeteilt, dass sie geht. Siegmund selbst hat mit ihr den Auszug geregelt, Schwarz auf Weiss.

Doch an jenem Abend kommt Barbara wieder. Ein Streit entbrennt. Siegmund versichert uns: Sie war schon öfter gewalttätig, jetzt ist sie es schon wieder.

Einmal wird das doch ein Ende haben! So hofft Siegmund inständig. Daher ruft er die Polizei. Richtig: Er, der Mann, ruft die Polizei um Hilfe. Hätte er vorher mit uns gesprochen, er wäre gewarnt gewesen, doch so trifft es ihn fassungslos:

Die Polizei hört sich Barbaras Version an und weist Siegmund aus seiner Wohnung.

Einmal mehr kritisieren wir: Sie können glauben, wem Sie wollen, Beweise gibt es jedenfalls keine für Gewalt oder Bedrohung, zumindest nicht seitens Siegmund. Dass Barbara natürlich ambulant Schmerzen im Knie untersuchen lässt, ist kein Beweis für Gewalt. Siegmunds Fotos seiner Blessuren lässt die Polizei nicht gelten, ebenso seine Videos, die er vorzeigt.

Bewiesen ist nur, dass Siegmund selbst die Polizei gerufen hat, und dass Barbara bereits ihren Auszug organisiert. Einmal mehr hätte diese Wegweisung schon gar nicht geschehen dürfen, weil der dringende Wohnbedarf fehlt. Einmal mehr wird der Frau alles geglaubt und der Mann nicht einmal gehört. Einmal mehr wird ihm nicht einmal der Bescheid ausgehändigt, der ihn seiner eigenen Wohnung verweist.

«Sie sind eh nicht krank», sollen ihm die Polizisten entgegengeworfen und ihn ans Obdachlosenheim verwiesen haben, klagt Siegmund. Diese Herzlosigkeit mag er nicht beweisen können, doch es spielt keine Rolle mehr.

Sicher ist, dass in seiner Wohnung noch immer seine Schmerzmittel liegen, das Opiat «Hydal», denn Siegmund bekommt schon Morphium verschrieben.  Sicher ist, dass Siegmund nicht an die Erbstücke seines verstorbenen Vaters kommt, ebenso nicht an Unterlagen, die für die Diagnose eventueller Erbkrankheiten wertvoll wären.

Und einmal mehr zeigt Österreichs Gewaltschutz, wie morbid er ist: In Siegmund Wohnung, für die er noch immer Miete zahlt, macht es sich jetzt der Exfreund von Barbaras Mutter gemütlich. Barbara ist längst woanders.

Tiefes Unrecht quält und schmerzt. Gegen dieses Unrecht hilft kein Morphium, sondern nur ein gemeinsames Aufstehen der Menschen für Objektivität und Gerechtigkeit.


P.S: Kurz nach dem Verfassen dieses Reports hatte das Gericht über eine Einstweilige Verfügung zu entscheiden. Diese hatte Barbara beantragt, wohl, damit der Exfreund ihrer Mutter länger in Siegmunds Wohnung bleiben kann.

Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, endlich wurde die Sinnlosigkeit und Rechtswidrigkeit des Betretungsverbots für Siegmund somit festgestellt.

Die Wegweisungsfrist ist nunmehr abgelaufen. Siegmund darf zurück in die Wohnung. Seine Wertsachen sind verschwunden. Nur seine Kleidung ist noch da. «Zum Glück», meint Siegmund, der angesichts des Erlebten bereits mit sehr, sehr wenig zufrieden ist.


Männerservice-Report #184, veröffentlicht am 7. Januar 2020

Betroffene
Siegmund Rettich*

In der Verantwortung
Barbara Prinz*
Polizeidienststelle St. Pölten
österreichisches Gewaltschutzsystem

Ort und Zeitraum:
St. Pölten, Ende September 2019

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