Die Kraft der Fantasie

Hans Klopfer* ist arbeitslos. So sehr er eine neue Stelle sucht: In Corona-Zeiten hat er kaum Chancen.

Unser Unterhaltsrecht erklärt in schönsten Worten: Der Unterhalt für ein Kind sei nach der «Leistungsfähigkeit» des Unterhaltszahlers zu bemessen. Damit verspricht diese Republik, dass sie Rücksicht darauf nehmen würde, wenn ein Vater weniger verdient als früher. Daher hofft Hans, dass seine Unterhaltsbelastung für Tochter Jana* gesenkt wird, damit er in der Zeit der Krise selbst genug zum Leben hat, damit seine Tochter nicht gezwungen ist, ihren Vater beim Verarmen zuzusehen.

Doch diese Republik hat das faustdicke Unrecht stets, gut versteckt, in der Hinterhand. Nach den schönen Worten von der «Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit» folgt die verbriefte gesetzliche Möglichkeit, genau das Gegenteil zu vollziehen: Nämlich eben nicht Rücksicht auf den Einkommensverlust das Vaters zu nehmen! Dieser klare Widerspruch wird durch viel Fantasie gelöst: Für den Vater darf nämlich einfach ein höheres Einkommen ausgedacht werden, als jenes, das er wirklich hat. Mit diesem Fantasieeinkommen darf dann doch wieder ein höherer Unterhalt ausgerechnet werden, der erst recht wieder keine Rücksicht auf den Einkommensverlust des Vaters nimmt. Doch das wiederum dürfen wir nicht denken, liebe Leserin, lieber Leser, schließlich haben wir uns ja gerade ein so schönes, hohes Fantasieeinkommen erträumt.

So ein imaginäres Einkommen darf sich natürlich nicht jeder ausmalen. Dafür brauchen wir schon einen teuren Gutachter, Hannes Schinder*. Hubert Renner*, der Anwalt von Janas Mutter, Sandra*, hatte sich zuerst noch 2500 Euro netto ausgedacht, so als erster Vorschlag. Hannes Schinder* jedoch arbeitet viel genauer: Er malt sich drei verschiedene Jobs, die Hans haben könnte, aus, denn er hat eine besonders reichhaltige Einfallskraft. Aus den drei echten Kollektiverträgen der drei an Hans angedichteten Berufe ermittelt er akribisch den Durchschnitt, und siehe da: In seiner Welt verdient Hans schon 2408 Euro statt der Notstandshilfe!

Ausserdem würde sich dieser Vater zu wenig bemühen, denn, stellen Sie sich bloß vor: Hans hat sich immer nur um Anstellungen beworben, die er von seinem Wohnort aus täglich mit dem Auto erreichen könnte! Wer macht denn so etwas?

Zudem will sich dieser Hans partout einen Beruf suchen, der seiner Hochschulausbildung entspricht! – und hier zitiert Hannes Schinder leider tatsächlich korrekt unser Unterhaltsrecht: Ein Unterhaltsverpflichteter darf gezwungen werden, einen Job zu suchen, der seine ursprüngliche Ausbildung über Bord werden lässt.

Hätte sich also Hans bei den unzähligen, in der Corona-Krise geschlossenen, Hotels und Gaststätten als ungelernte Hilfskraft sinnlos bewerben und nicht einmal Absagen kassieren sollen? Oder soll er auf dem Bau vorstellig werden? Die nehmen sicher einen unerfahrenen und körperlich an die Arbeit beim Bau nicht gewöhnten Hochschulabsolventen statt eines Profis, richtig, Herr Schinder?

So erlebt Hans, was Unterhaltsrecht in Wirklichkeit, nachdem die schönen Töne verklungen sind, bedeutet: Seine Unterhaltsbelastung wird kaum reduziert. Wie er nun seine Lebenshaltungskosten bestreitet, ist ihnen allen egal, dem Gutachter, der Rechtspflegerin, dem Anwalt und der Mutter seines Kindes.

Wird Jana also miterleben wie ihr Vater zusehends verkommt?

Wir starten mit Hans einen Versuch, dieses Unrecht zu begradigen. Die Abschaffung dieses menschenunwürdigen Umgangs jedoch können wir nur gemeinsam über eine klare Gesetzesänderung erreichen. Schaffen Sie mit uns Bewusstsein!


Männerservice-Report #256, veröffentlicht am 25. Mai 2021

Betroffene
Vater: Hans Klopfer*
Jana*, 9 Jahre

In der Verantwortung
Sandra Kaufmann*, Janas Mutter
Hubert Renner*, Rechtsanwalt
Miranda Tenner*, Rechtspflegerin an einem Tiroler Bezirksgericht
Hannes Schinder*, Gutachter
österreichisches Unterhaltsrecht

Ort und Zeitraum:
Tirol, März 2021

Reply to Gerald Graf

Your email is never published nor shared. Pflichtferder sind mit * markiert

HTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Ein Kommentar

  1. Hallo,
    Ich bin schon seit ca. 1 Jahr mit dem Männerservice im Kontakt und lese jeden Beitrag der Veröffentlicht wird. Es erschüttert mich immer wieder welche Schicksale es gibt.

    Wurde schon mal eine Petition gestartet über das Unterhaltgesetz oder ist diese unantastbar ?

    Über diese Plattform können bestimmt schon unzählige Personen erreicht werden

    Lg
    Gerald