37 Minuten

Sein Zug hat mehr als 3 Stunden Verspätung, schreibt uns Herbert Nertz am Samstag, und wir wissen sofort, was das bedeutet. Herbert, der aus Vorarlberg mit dem Nachtzug 700 Kilometer nach Wien reist, eigens für dieses eineinhalbstündige Treffen, wird nicht Stunden vor 9:30 Uhr, wie geplant, am Treffpunkt sein. Es wird wohl elf Uhr werden, so sehr er sich vom Bahnhof weg auch beeilen mag.

Stellen Sie sich vor, Sie leben im Großraum Wien und wissen, dass Herbert eigens für dieses Treffen den Nachtzug nach Wien nimmt, nach zwölf statt neun Stunden endlich aus dem Zug steigt und gleich nach diesem Treffen wieder die lange Heimreise antreten wird? Selbstverständlich würden Sie Herbert mitteilen, das Treffen könne einfach eine Stunde später beginnen und die geplanten zwei Stunden dauern. So wichtig können Ihre Pläne gar nicht sein, nicht wahr? Selbst wichtigere Personen als wir hätten diesen Anstand und die Einsicht, seien es der Bundespräsident oder die Königin von England.

Jaqueline jedoch, nun ja, sagen wir, sie verhält sich anders. Dabei hat Herbert sich gar nicht mit ihr verabredet. Er will seinen Sohn Bernhard treffen, ohne dessen Mutter. Seit vielen Jahren verhindert Jaqueline, dass Herbert seinen Sohn einfach so sehen kann. Daher beschuldigt sie ihn, oder nicht einmal das: Sie tut so, als habe sie diffuse „Ängste“. Fragen Sie die Frau bloß nicht welche, dann müsste Sie konkret werden. Das braucht sie ja auch nicht, dann gibt sie sich halt zu „eingeschüchtert“ für Details. Irgendwie zieht die Opferrolle immer in Österreich, wenn eine Mutter hineinschlüpft.

Daher darf Herbert seinen Sohn nur in der Besuchsbegleitung sehen, dem sogenannten Besuchscafé. Dort müssen seit vielen Jahren Sozialarbeiter darauf aufpassen, dass Herbert mit seinem Sohn auch ja gut umgeht, statt ihn, wie Jaqueline schon einmal unterstellt, aus dem Fenster zu werfen oder ähnlich böse Herbert-Sachen anzustellen, die noch niemand ausser Jaqueline jemals gesehen haben will…

Als Herbert schon um halb acht aus dem Zug heraus an den Sozialarbeiter des Besuchscafés schreibt und bittet, den Termin später beginnen und doch wenigstens ebenso lange dauern zu lassen, wäre dieser Mann sofort dazu bereit. Er, der ohnehin am Wochenende wie so viele Besuchsbegleiter unterbezahlt seine Hilfe anbietet, nur damit Kinder trotz einer verweigernden Mutter ihre Väter sehen können, er würde auch noch eine Stunde länger dableiben, angesichts der langen Reise, welche Herbert jeden Monat nur für die kurze Zeit mit seinem Sohn auf sich nimmt.

Wir haben bei den meisten Sozialarbeitern der Besuchscafés das Gefühl, dass diese schon längst wissen, was in Österreich wirklich passiert im Familienrecht. Sie erleben genau die Mütter, welche aus niederen Motiven verweigern, hautnah, und auch das Dilemma von Kindern wie Bernhard: So sehr der 13-jährige wohl gerne seinen Vater länger sehen würde: Nach den zwei Stunden beginnen wieder die Wochen bei der Mutter. Dort bekommt er zu spüren, wenn er zu viel Zuneigung zum Vater gezeigt haben sollte. Daher verhält sich Bernhard ruhig, als Jaqueline darüber bestimmt, wie lange Herbert heute seinen Sohn sehen soll.

Genau um 11:30 Uhr, verkündet Jaqueline, hätten sie beide, Bernhard und seine gute Mutter, einen wirklich sehr, sehr wichtigen Termin. Dieser Termin ist so wichtig, dass sie keinesfalls ihrem Sohn gestatten könne, einfach noch ein bisschen bei seinem Vater zu bleiben. Konkret begründet Jaqueline die Unverschiebbarkeit dieses wichtigen Termins nicht, doch das braucht sie ja auch nicht, sehen Sie bitte oben.

So zieht die Mutter mit Herberts Sohn Bernhard pünktlich um halb zwölf von dannen. 37 Minuten sind es gewesen, schreibt Herbert am Nachmittag, wieder im Zug sitzend, und er schreibt uns, was er von Österreichs Familienrecht hält. Das überlassen wir jetzt jedoch Ihrer Vorstellungskraft.


Männerservice-Report #109, veröffentlicht am 24. Juli 2018

Betroffene
Vater: Herbert Nertz*
Kind: Bernhard*, Jahrgang 2005
Sozialarbeiter eines Wiener Besuchscafés

In der Verantwortung
Jaqueline*, Bernhards Mutter
Österreichs Familienpolitik und Familienrecht

Ort und Zeitraum:
Vorarlberg, Wien, Niederösterreich, am Samstag, den 14. April 2018

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Ein Kommentar

  1. Das tut mir sehr leid zu lesen, ich fahre auch jedes 2 wochenende zu meinem Sohn in münchen, und sitz jedes mal fast 7 stunden im zug von der schweiz aus. Dann sieht man sein zwerg für ein paar stunden. Was mir zu schaffen macht, ist das es jedesmal sehr ins geld geht. Für die kurze zeit.
    Lieber Herbert ich mach das aus Liebe zu meinem sohn, und eines tages wird das auch von gott belohnt.
    Liebe grüsse aus der schweiz