Warum geht immer der Mann?

Der Mann ruft immer zu spät an, so scheint das Naturgesetz zu lauten, welches bei Scheidungen in Österreich herrscht. Hubert Czech folgt dieser Regel, als er den Männerservice anruft: Die Ehe ist bereits kaputt. Er hat den Auszug bereits geplant, in einem Monat soll er gehen, auch, wenn er noch gar nicht weiß, wohin.

Schnell tasten wir mit routinierten Fragen alle augenblicklichen Verhältnisse und die Vorgeschichte ab. Dabei rechnen wir mit der üblichen Ausgangsposition, die sich wohl ergeben würde und nur zu bestätigen ist, bevor wir konkrete Hilfe bieten: Üblicherweise steht der Mann in einem Vollzeitberuf, oft unter Überstunden, und die Frau hat die meiste Zeit bei den Kindern verbracht. In diesen Fällen geht der Mann von vorneherein davon aus, dass die Kinder bei der Frau bleiben, und wir konzentrieren uns auf den existenzgefährdenden Ehegattenunterhalt , informieren über Obsorge, Gütertrennung und alle kleinen und großen Tücken, welche unsere Scheidungswelt für einen Mann noch zu bieten hat.

Bei Hubert lohnt es sich einmal mehr, dass jede Männerservice-Sitzung bei null beginnt: Wir stellen fest, dass Hubert sich schon immer mehrheitlich um die Kinder gekümmert hat. Nun jedoch lässt Hubert es zu, dass seine Frau alleine die Kinder von der bevorstehenden Scheidung informiert. Seine Kinder erfahren nicht einmal von ihm selbst, dass er gehen will: Nicht, weil der die Kinder nicht liebt, sondern weil seine Frau mit ihm nicht mehr zusammenleben will.

Was nun folgt, scheint uns für Hubert wie ein Erweckungserlebnis zu sein: Wir stellen Fragen, an die er offenbar nicht einmal zu denken gewagt hat bisher.

Wie in aller Welt kommt er auf die Idee, dass er gehen soll? Warum bloß soll er seine Kinder verlassen? Mit welcher Begründung soll ein Vater, der sich so um seine Kinder kümmert, von seinen Kindern getrennt werden? Dass Streit mit der Mutter der Kinder ist wohl kein Grund, nicht für uns!

Warum geht denn nicht seine Frau, wenn sie mit Hubert nicht klar kommt?

Was in aller Welt glaubt denn Hubert, dass seine Frau den Kindern erzählt? Mensch, Hubert! Natürlich wird sie es so darstellen, als ob Hubert seine Kinder verlassen will.

Soll es ein „Schonen der Kinder“ sein, wenn fortan deren eigener Vater als derjenige dargestellt wird, der seine Kinder weniger liebt als die Mutter, während ihm gleichzeitig der fehlende Alltag mit seinen Kinder fast den Atem rauben wird?

Hubert ist drauf und dran, sich selbst zum Elternteil zweiter Klasse zu erklären. Warum? Er kann es uns nicht beantworten, doch aus Erfahrung können wir darauf hinführen: Viele Männer sind so erzogen.

Warum wird uns ständig als selbstverständlich vermittelt, dass der Mann im Streitfall mit einer Frau sofort alle Ansprüche aufgeben, das Feld räumen und ihr alles überlassen soll? Wenn dicke Luft herrscht, schläft der Mann auf der Couch, der Hund vor der Hütte und nur die Frau im bequemen Doppelbett, wenn  die Luft noch dicker wird, packt der Mann die Koffer, schleppt sie am immer noch vor der Hütte schlafenden Hund vorbei und sucht sich eine andere Bleibe, egal, ob er das Haus gemietet, gekauft oder selbst gebaut hat, aus dem heraus ihm vielleicht die Frau noch nachschimpft.

Wir zeigen Hubert alle Konsequenzen seines geplanten Handelns auf, vom menschlichen Schaden gegenüber den Kindern bis zum noch gar nicht abschätzbaren finanziellen Schaden, bis an seine Existenzgefährdung. Für Hubert ist die Obsorge für die Kinder realistisch, fair und sinnvollerweise anzustreben.

Als sich Hubert für das erste Gespräch mit uns bedankt, ist ihm noch immer anzumerken, dass gerade sein ganzes Weltbild ins Wanken geraten ist, er wirkt geradezu befreit.

Wir sind und bleiben der Ansicht: Erst dann, wenn Männer im Konfliktfall nicht sofort jegliche Menschenwürde aufzugeben bereit sind, um, wie sie meinen, „ein besseres Klima zu schaffen“ oder andere zu schonen, welche auf sie umgekehrt später selbst nicht annähernd Rücksicht nehmen werden, erst, wenn Männer diese Menschenwürde zu Beginn einer Ehe oder Elternschaft nicht mehr an die Garderobe hängen und dort vergessen, sind wir alle wirklich emanzipiert.

Männerservice-Report #89. veröffentlicht am 6. März 2018

Betroffene
Vater: Hubert Czech*
Kinder, 8 und 10 Jahre alt

In der Verantwortung
Mutter des Kindes
österreichisches Familien- und Rollenbild

Ort und Zeitraum:
Niederösterreich, Dezember 2017

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