War der Regenschirm orange?

Sonja* dürfte damals, vor sieben Jahren, erleichtert gewesen sein, als ihr Mann Heinz* und sie vor Gericht wieder aufgestanden sind. Ihre Gewalt gegen ihren Gatten war bewiesen gewesen, sie hatte sogar gestanden. Und doch hatte Heinz auf keiner Strafverfolgung bestanden. Er wollte seiner Ehe und der Familie noch eine Chance geben. Jetzt erkennt er, was er davon hat.

Kurz vor Weihnachten sieht Sonja* schon wieder rot. Doch lassen wir nicht Heinz erzählen, dem Mann wird ja meist nicht geglaubt. Lassen wir die Beweise sprechen:

Am nächsten Tag nämlich lässt sich der Mann im Krankenhaus untersuchen. Dort werden Verletzungen nachgewiesen, welche sich noch am Abend zuvor die Polizei strikt geweigert hat, aufzunehmen. Heinz ist nicht nur in Gesicht, Brustbereich und Armen verletzt, als Sonja unter anderem mit dem Regenschirm auf ihn eingeschlagen hatte, auch von hinten wurde nachweislich auf ihn eingedroschen. „Diese Verletzungen sind im Weggehen beigefügt worden“, bestätigt ihm das Spital.

Doch am Abend zuvor waren diese Evidenzen der Polizei egal. Sie wollte den Beweis, dass Sonja häusliche Gewalt verübt hatte, partout nicht aufnehmen. Die Polizisten wurden nämlich angerufen, um Heinz wegweisen zu lassen, und mit Heinz zählt einer mehr nun zu jenen, die uns jetzt glauben: Das Ergebnis einer Wegweisung steht zumeist bereits vorher fest.

“Das interessiere ihn nicht”, kommentierte der Beamte die Schilderung der Verletzungen, die der vor den Augen der Beamten immer noch blutende Heinz über Sonjas Gewalt abgeben wollte. Ebenso interessiere ihn nicht, dass Sonjas frühere häusliche Gewalt bereits einwandfrei bewiesen ist.

Dieser Polizist ist nur an einem interessiert: Aus Sonjas Erzählungen de facto einen „Tatsachenbericht“ werden zu lassen und somit die Wegweisung des Mannes zu rechtfertigen. Warum handelt er nur so?

Viele Beamte wollen einfach nur keine „Probleme“. Diese Probleme kann sich nämlich ein Polizist schnell aufhalsen. Wenn er zu einer Wegweisung gerufen wird, ist er verpflichtet, seine Entscheidung zu protokollieren, wie auch immer diese ausfällt. Diese Niederschrift wird von seinen Vorgesetzten und der Wiener Gewaltschutzstelle geprüft. Wenn er den Mann weg weist, hört er nichts mehr von der Angelegenheit, falls er nicht sogar gelobt wird. Weist er den Mann jedoch nicht weg, einfach, weil er nach eingehender Prüfung und nach bestem Gewissen überzeugt ist, dass keine Gefährdung der Frau vorliegt, dann hat er sich sehr viel Arbeit aufgehalst. Jeder Federstrich dieser Amtshandlung wird später hinterfragt. Nicht, dass seine Entscheidung von oben revidiert würde, keinesfalls: Doch der Rechtfertigungsdruck, der auf diesen Beamten aufgesetzt wird, macht mürbe, und sein internes Ansehen leidet ebenso wie vermutlich sogar seine Beförderungschancen. Nächstes Mal wird er es sich genauer überlegen: Es ist einfacher, den Mann wegzuweisen, wehren kann sich der ohnehin nicht…

Heinz hatte der Republik Österreich lange gedient, sein Leben und seine Gesundheit für unsere Gesellschaft aufs Spiel gesetzt. Solche Menschen schöpfen ihre berufliche Identifikation daraus, dass sie für die Werte eines Staates und einer Gesellschaft kämpfen, für Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie.

Daher fühlt sich dieser Mann besonders enttäuscht. In den Diskussionen mit den Polizisten, die ihn letztlich weggewiesen haben, appellierte er an dasselbe Ehrgefühl, an denselben Idealismus, an die Werte der Gerechtigkeit und Objektivität, welche doch auch diese Beamten zu ihrem täglichen Dienst motivieren werden, so glaubte er.

Doch diese Staatsbediensteten sind verschlossen. Die erhofften, flammenden Ideale spürt er nicht. Er spürt nur die Kälte und die Vorurteile, welche den in einem anderen Sinn „wegweisenden“ Polizisten gegen Männer eingepflanzt wurden, wie etwa, dass „Gewalt vorwiegend männlich“ sei.

Für uns gilt es im ersten Gespräch, Heinz abzuholen, dorthin, wo sich eine andere Sicht auf unsere Republik und auf unser Recht eröffnet. Wir arbeiten ein Vorgehen aus, das die Fehler der Wegweisung ebenso griffbereit nachweist wie Sonjas Gewalt. Er wird jeden Beweis benötigen, denn wir eröffnen ihm, was alles auf ihn zukommen wird: Die nachfolgende Einstweilige Verfügung, die Scheidung unter dem bereits präparierten Verschulden, das ihm angehängt werden soll, mögliche Kontaktverweigerung zu den Kindern und die faktische Enteignung der Wohnung, in die er so viel investiert hatte.

Ein pikantes Detail würden wir gerne noch in Erfahrung bringen: War der Regenschirm, mit dem Sonja ihren Mann verprügelt hat, etwa orange?

Jahr für Jahr erleben wir nämlich eine geradezu propagandaartigte Aktion in Österreich: Die „15 Tage gegen Gewalt“ sind schon bezeichnenderweise so verfasst, dass Gewalt gegen Männer gar kein Thema sei darf. Das Stigma des ewig männlichen Gewalttäters andererseits wird der Bevölkerung Tag für Tag unter einem bildhaften Symbol eingehämmert: Dem orangen Regenschirm, der Schutz für geschlagene Frauen, jedoch nicht für Männer, bieten soll.

Es wäre bezeichnend, wenn Sonjas Regenschirm, mit dem sie Heinz verletzt hat, orange ist – und zudem klebt auf diesem, durch die Attacke zerbrochenen Regenschirm immer noch ein bisschen Blut das Mannes, der unter diesem Symbol bizarrerweise sogar noch selbst als Gewalttäter stigmatisiert und weggewiesen wurde.


Männerservice-Report #208, veröffentlicht am 23. Juni 2020

Betroffene
Vater: Heinz Cezny*
Kinder: Lina*, 4 Jahre, und Ben*, 6 Jahre

In der Verantwortung
Sonja Cezny*
Wiener Polizei
österreichisches „Gewaltschutzsystem“
Wiener Gewaltschutzstelle
eine der zahlreichen Frauenberatungen in Wien

Ort und Zeitraum:
Wien, 23. Dezember 2019

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