Ein Systemfehler

Wir gratulieren Barbara* und Thomas* herzlich zur Geburt Ihres kerngesunden, kräftigen Sohnes Luca*! Glücklich leben sich die jungen Eltern gerade in eine hoffentlich immer schöne, gemeinsame Zukunft mit ihrem Kind ein.

Nicht nur wir reihen uns in die Schar der Gratulanten ein. Auch das örtliche Jugendamt will gratulieren, doch auf eine Art, welche Barbara und Thomas die Stirn runzeln lässt:

Barbara allein erhält ein Schreiben dieser Behörde, und die erste Zeile enthält noch kurze Glückwünsche. Dann kommt die Jugendwohlfahrt schnell zur Sache:

Erst einmal solle Barbara wissen, dass sie allein die Obsorge habe, als Mutter eben. Dann geht es um Thomas – der habe ja die Vaterschaft freiwillig anerkannt, so stellt das «Jugendamt» nüchtern fest. Damit können wir endlich zum Finanziellen schreiten:

Barbara soll wissen, dass sie von Thomas Unterhalt verlangen könne, falls er nicht mit ihr zusammenlebe, und dass sie dabei jederzeit auf die kostenlose Hilfe des Jugendamtes zählen könne. Am besten lasse sie sich sofort bei dieser Behörde etwas von Thomas unterschreiben, damit das Eintreiben von Unterhalt später reibungslos funktioniere, nach einer Trennung also…

Die jungen Eltern sind angesichts dieses Schreibens befremdet. Thomas will wissen, warum ihm nicht gratuliert wurde, und warum er nur deshalb im Schreiben an Barbara Erwähnung findet, weil es um das Geld geht.

Für die Jugendwohlfahrt entschuldigt sich Berta Witwer* prompt: Aufgrund eines Systemfehlers habe Thomas kein Schreiben erhalten, doch das würde schnellstmöglich nachgeholt.

Dann dürfen wir mit Thomas gespannt sein, was sich in einem Land, das «Gleichbehandlung» als Verfassungsprinzip nennt, in einem Brief an einen Vater stehen wird:

Dass er die Obsorge habe, kann ja wohl nicht geschrieben werden, weil es nicht stimmt. Dass er jedoch die Obsorge mit Hauptsächlichem Aufenthaltsort des Kindes zu sich beantragen könne und umgekehrt dann jederzeit Unterhalt von Barbara fordern könne? So einen Hinweis fände wohl jeder, der schon einmal mit mütterlastigen Jugendämtern zu tun hatte, höchst unwahrscheinlich – und Thomas hätte letztlich ohnehin kaum eine Chance auf das oben Beschriebene, als Vater in diesem Land.

Oder will die Behörde Thomas über die Realität aufklären? Dass er in diesem Land prinzipiell als rechtloser Zahler betrachtet wird, genau so, wie es in der «Gratulation» an Barbara durchschimmert?

Das wäre zumindest ehrlich. Letztlich hat Berta Witwer genau die richtigen Worte gefunden: Ja, hier liegt ein Systemfehler vor! – Doch nicht beim unterlassenen Versenden eines Briefes, nein, sondern bei der eben beschriebenen, völligen Rechtslosigkeit von Vätern, welche unsere Behörden teilweise in unfreiwilliger Art und Weise selbst offen legen.

Stehen Sie gemeinsam mit uns daher auf, um den Systemfehler «Familienrecht» in Österreich zu beheben.


Männerservice-Report #253, veröffentlicht am 4. Mai 2021

Betroffene
Vater: Thomas Reiter*
Mutter: Barbara Körner*
Kind: Luca*, ein Monat alt

In der Verantwortung
Jugendwohlfahrt («Jugendamt») eines österreichisches Bundeslandes
österreichisches Familienrecht

Ort und Zeitraum:
Österreich, Januar 2021

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