Das Schlimmste sind die Demütigungen

Das ständige, unberechenbare Pendeln zwischen Zuneigung und Gewaltausbrüchen: Das ist die Beziehung zwischen Mario* und Soraya* seit Jahren. In diesem gewalttätigen Klima wächst zudem ein Kind, der kleine Luigi* auf.

Beziehungsgewalt hat viele Formen. Gegen diese jedoch scheint nicht nur das Opfer hilflos zu sein, sondern auch der gesamte Staat mit seinem Gewaltschutz, mit seinem Strafrecht, mit seiner Jugendwohlfahrt und seiner Täterarbeit:

Hier schlägt nämlich die Frau den Mann. Das passt nicht ins Schema, weder in Österreich noch in Deutschland, wo dieser Betroffene lebt.

Mario will das Unrecht mitteilen, will warnen und aufschreien.

Bis heute kann er sich nicht erklären, warum er die zunehmende Gewalt seiner Partnerin damals hingenommen hatte, als das Paar noch kinderlos gewesen ist. Doch als das Baby, Luigi*, unterwegs war, und er die Gewaltausbrüche der nunmehr Schwangeren ertragen hätte sollen, trieb ihn die Sorge um die Zukunft, die Sorge um das Kind, dazu, endlich Anzeige zu erstatten. Vertrauensvoll legte dieser Mann die Zukunft der Familie in die Hände eines europäischen Staates, der sich als Rechtsstaat bezeichnet.

Drei Jahre später blickt der Mann und Vater auf acht Verfahren gegen Soraya zurück, die allesamt eingestellt worden sind. Dabei stand kein einziges Mal außer Frage, dass die Frau gewalttätig gewesen ist. Die Gewalt der Frau wurde jedoch ständig bagatellisiert, wie ein «Kavaliersdelikt» behandelt. Einmal mehr beeindrucken Juristen durch die gekonnte Argumentation ihres Unwillens dazu, Gerechtigkeit zu üben und künftige Straftaten vorzubeugen. So wurde ein Verfahren gegen Soraya eingestellt, weil sie zu einem Täter-Opfer-Ausgleich bereit gewesen ist, und damit das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung beseitigt gewesen sei. Die Täterin wird bedauert, weil sie «durch die Folgen der Tat selbst beeinträchtigt sei» – was einer Verhöhnung des Gewaltopfers gleichkommt. Ja, und zum Schluss will die bei der Frau strafunwillige Amtsanwaltschaft wissen, dass Soraya «durch das bisheriger Verfahren für die Zukunft hinreichend gewarnt sei».

Wohl eher wird das Gegenteil der Fall sein. Durch die bisherigen Verfahren hat Soraya gelernt: Eine Frau darf auf ihren Mann ungestraft eindreschen in dieser Gesellschaft. Wenn es eng wird vor den Behörden, reicht ein reuiger Blick, und sogar die Dreistigkeit, sich selbst für die eigene Gewalttätigkeit am Meisten zu bedauern, wird akzeptiert.

Leser der Männerservice-Reports wissen: Würde Mario umgekehrt so von Soraya beschuldigt, er wäre achtmal weggewiesen worden – in Deutschland wie in Österreich.

So jedoch durfte Sorayas nächster Gewaltausbruch erfolgen, als sie erfährt, dass Mario den Antrag auf Obsorge für seinen Sohn gestellt hat. Als Soraya wieder tätlich wird, geschieht gewissermaßen das Gegenteil dessen, was ihr Opfer beantragt hatte: Endlich, nach Jahren offenbar amtsbekannter Gewalt, muss Soraya zwar gehen – doch das Kind nimmt sie mit. Das Kind gehört schließlich zur Mutter, egal wie gewalttätig diese sein mag – und Marios Antrag auf Obsorge endet darin, dass er Besuchsvater wird, eben weil die Mutter ihn, den Vater, schlägt.

Mario erzählt, was ihn am meisten belastet hat in all der Zeit der Gewalt: Nicht die Wutausbrüche, die Kratzer, die Schubser wie damals von hinten gegen den Wickeltisch, auf dem das Baby liegt, das er gerade versorgt, nicht das auf ihn zufliegende Geschirr; Nein – die ständigen Demütigungen schmerzten am heftigsten, dass er zu wenig Geld verdiene, dann wieder zu schlechten Sex böte oder sich keinen zweiwöchigen Urlaub für sie leisten könne. Auf solche Demütigungen würden wohl manche Männer mit Gewalt reagieren, worauf sie endgültig stigmatisiert sind – Mario behält die Nerven, und doch verliert er das Wichtigste, das ihm am Herzen liegt: Den Alltag mit seinem Sohn.

Ins Frauenhaus soll seine gewalttätige Partnerin mit seinem Sohn zuerst gezogen sein. Mario durfte nie die Wahrheit über ihren ersten Aufenthalt erfahren, so, wie das an sich gegenüber gewaltbeschuldigten Männern praktiziert wird. Die Schlägerin bekommt Unterkunft – bei Männern undenkbar, und erhält so Hilfe dabei, das Kind vom Vater fern zu halten. Bis heute weiß Mario nicht, wo Soraya mit seinem Sohn wohnt. Er sieht das Kind nur in der Besuchsbegleitung – die nur für gewalttätige Väter gedacht wäre, so sagt die Politik.


Männerservice-Report #239, veröffentlicht am 26. Januar 2021

Betroffene
Mario Della Giacoma*
Sohn Luigi*, 3 Jahre alt

In der Verantwortung
Soraya Tretter*, Luigis Mutter
deutsche Ämter, Beratungsstellen und deutscher «Gewaltschutz»

Ort und Zeitraum:
Berlin, seit 2017 bis jetzt

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